Süßwarenverband: Verpackungsverordnung bedroht Saisonprodukte
Kommt mit der neuen Verordnung aus Brüssel das Aus für beliebte saisonale Süßwaren mit besonderen Verpackungen oder Verzierungen? Die Süßwarenindustrie ist besorgt. Markenhersteller wie Nestlé verweisen auf die Marketingfunktion des Packaging sowie auf Traditionen bei Süßwaren an Festtagen.
Wenn die Schleife ausbleibt
„Durch das Weglassen zum Beispiel einer Schleife geht die Geschenkeignung eines Produktes verloren. Denn gerade diese Art der Ausgestaltung macht viele beliebte Produkte einzigartig. So sind zum Beispiel die Glocke oder die Schleife bei einem Osterhasen beziehungsweise Weihnachtsmann oder ein kleiner Tannenbaum bei einem Schokoschneemann unverwechselbare Eigenschaften, die den Mehrwert in der Verbrauchererwartung ausmachen. Eine besondere Aufmachung einer Pralinenschachtel wäre nach den Plänen des EU-Rates nicht mehr möglich“, erläutert Dr. Carsten Bernoth, Hauptgeschäftsführer des BDSI.
Der BDSI unterstützt deshalb nachdrücklich die Position des EU-Parlamentes, das neben der reinen Schutzfunktion einer Verpackung auch die besondere Gestaltung für spezielle Anlässe berücksichtigt. Ohne Berücksichtigung der Verbraucherakzeptanz und der Funktion der Verpackung würden Geschenk- und Saisonverpackungen durch Wegfall von Verpackungsbestandteilen ihre besondere und von Verbraucherinnen und Verbrauchern geschätzte Gestaltung verlieren.
Nach der vorläufigen Einigung zwischen dem Rat der EU und dem Europaparlament zur geplanten EU-Verpackungsverordnung (PPWR) haben viele Verbände der Verpackungsindustrie Lob und Kritik geäußert. Die meisten Experten betonen, dass eine detaillierte Analyse des Kompromisses aktuell nicht möglich sei, bevor der Text vollständig vorliege. Auch der Bundesverband der Süßwarenindustrie wollte sich auf Anfrage von FACHPACK360° über die Pressemitteilung vom Februar hinaus nicht konkreter äußern.
Tradition und Marketingfunktion
Auch auf dem Deutschen Verpackungskongress des Deutschen Verpackungsinstituts (dvi) sprach die Verpackungsbranche über das Thema PPWR und mögliche Auswirkungen auf Konsumgüter- und Lebensmittelverpackungen. Verpackungsexperte Dr. Christian Detrois von Nestlé erklärte, dass er seit mehr als 20 Jahren versuche, Verpackungen immer mehr zu reduzieren. Das Thema sei also nicht neu und durchaus im Sinne der Industrie, allerdings auch „ein zweischneidiges Schwert“. In Italien würden zum Beispiel traditionell Riesenschokoladeneier mit entsprechend üppigen Verpackungen verschenkt. „Wollen wir uns das als Gesellschaft verbieten?“, fragte Detrois die Teilnehmenden des Kongresses. Der Packaging-Experte von Nestlé erklärte außerdem, dass die Marketingfunktion einer Verpackung in dem PPWR-Entwurf keine Erwähnung gefunden habe. Aber insbesondere in der Süßwarenindustrie spiele Marketing eine große Rolle.
Nachhaltige Verpackungen spielen bei Nestlé eine große Rolle, so Detrois. Das beginne bei Papierverpackungen wie zum Beispiel der Verpackung von Smarties. Allerdings seien Papierverpackungen bei sensiblen Lebensmitteln nur bedingt die bessere Wahl, ergänzte er. Ein Kunststoff mit hoher Komplexität, idealerweise PP oder nur PE mit entsprechender Metallisierung als Barriere, sei oft die geeignete Lösung, um frühzeitigen Verderb von Lebensmitteln zu vermeiden. Allerdings könnten die gängigen Verpackungsmaschinen mit dem neuen Laminat nicht so gut umgehen. Maschinen müssten neu gekauft werden oder ein entsprechendes Upgrade erfahren. „Das ist ein Riesending, was wir drehen“, so der Experte. Und auch die Forderung nach mehr Rezyklateinsatz sei in der Praxis nicht so einfach umzusetzen, wie gemeinhin gedacht werde. Dem vermehrten Einsatz an Rezyklaten stünden oft Engpässe im Angebot gegenüber.