Plastikabgabe der EU: Anreize verfehlt, Kontrollen unzureichend
Die EU-Abgabe auf nicht recycelte Plastikverpackungen sollte Umweltziele fördern, doch ein Bericht zeigt: Einnahmen wurden überschätzt, Kontrollen fehlen, und unklare Daten behindern die Umsetzung. Experten warnen vor Fehlanreizen. Wie kann die EU gegensteuern?
Im Jahr 2021 führte die EU eine Abgabe auf nicht recycelte Plastikverpackungen ein, um ihre Einnahmequellen zu diversifizieren und die Mitgliedstaaten dazu anzuregen, Plastikabfälle zu reduzieren, was gleichzeitig zur Erreichung der Umweltziele der EU beitragen sollte.
Ein aktueller Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs zeigt jedoch erhebliche Defizite auf: Zum einen wurden die Einnahmen aus der Abgabe deutlich überschätzt, zum anderen mangelt es an ausreichenden Kontrollen in den Mitgliedstaaten, um die Umsetzung der Maßnahmen effektiv zu gewährleisten. Im ersten Jahr der Einführung wurden die Einnahmen aus Kunststoff-Eigenmitteln um 1,1 Milliarden Euro zu niedrig prognostiziert, sodass der EU-Haushalt durch zusätzliche Beiträge der Mitgliedstaaten auf Basis des Bruttonationaleinkommens ausgeglichen werden musste.
Dr. Alexander Kronimus, Geschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, sieht die EU-Abgabe auf nicht recycelte Plastikverpackungen generell kritisch. Nicht nur der Berechnungsmodus müsse hinterfragt werden, sondern auch, ob eine Abgabe, die nur für ein einziges Verpackungsmaterial gilt, überhaupt zur Reduktion von Einwegverpackungen beitrage. „Das Eigenmittel setzt Fehlanreize, die beispielsweise dazu führen können, dass Kunststoffe durch schwer recycelbare Faserverbundmaterialien ersetzt werden“, so Kronimus. Die im Eigenmittelbeschluss genannten Anreize zur Förderung des Recyclings und zur Unterstützung der Kreislaufwirtschaft würden durch das Eigenmittel gerade nicht gesetzt.
Rechtsunsicherheit und fehlende Daten
Die Einführung verlief auch in anderen Bereichen nicht reibungslos, da viele Mitgliedstaaten unzureichend vorbereitet waren und rechtliche Anforderungen verspätet umgesetzt wurden. Uneinheitliche Definitionen von Kunststoff und späte Änderungen in den Vorschriften führten zu Rechtsunsicherheiten, die eine harmonisierte Umsetzung behinderten.
Zur Schätzung der anfallenden Kunststoffabfallmengen, die in den Mitgliedsstaaten entstehen, sind zwei Methoden vorgesehen. Die erste beruht auf dem Ansatz des Inverkehrbringens und stützt sich hauptsächlich auf Daten der Hersteller von Kunststoffverpackungen. Die zweite basiert auf der Abfallanalyse. Auf Grundlage der Ergebnisse der beiden Methoden geben die Mitgliedstaaten eine einzige Schätzung der angefallenen Abfallmengen ab. Für die Datenqualität der ersten Methode tragen die Hersteller der Verpackungen die Verantwortung.
Doch die Daten über angefallene und recycelte Kunststoffverpackungsabfälle waren laut Rechnungshof oft unzuverlässig und schwer vergleichbar, da die Mitgliedstaaten unterschiedliche Methoden zur Datenerhebung verwendeten und die Ergebnisse nicht ausreichend harmonisierten.
„Die seitens der Europäischen Kommission beauftragten Konformitätsprüfungen haben gezeigt, dass in zahlreichen Mitgliedsstaaten Teile der für die Berechnung der Kunststoff-Eigenmittel relevanten Bestimmungen nicht korrekt umgesetzt wurden“, bestätigt Kronimus. Dadurch komme es im Binnenmarkt zu unterschiedlichen Berechnungsmodi der Mitgliedsstaaten. Die angestrebte kreislaufwirtschaftliche Anreizwirkung werde dadurch zusätzlich konterkariert.
Gefahr der Umweltkriminalität
Der Europäische Rechnungshof stellte in seinem Bericht zudem fest, dass aufgrund fehlender Kontrollen der Recyclingverfahren das Risiko bestehe, dass als recycelt deklarierte Kunststoffverpackungsabfälle nicht in allen Fällen tatsächlich recycelt wurden. „Die Mitgliedstaaten waren nicht in der Lage, sicherzustellen, dass die Bedingungen für das Recycling von aus der EU ausgeführten Kunststoffverpackungsabfällen weitgehend den Recyclingverfahren in der EU entsprachen“, heißt es in dem Bericht.
Da die meisten Mitgliedstaaten von der Ausnahmeregelung bezüglich des Berechnungspunkts Gebrauch machen, werden die Abfälle außerdem nicht beim Eintritt ins Recyclingverfahren gemessen, sondern erst am Ausgang des Sortierverfahrens. Daher gebe es nur eine begrenzte Gewähr dafür, dass die von den Recyclingunternehmen als eingegangen gemeldeten Abfälle auch tatsächlich aufbereitet werden.
Wenn die von den Recyclingunternehmen entgegengenommenen Kunststoffabfälle nicht wie in der Abfallrahmenrichtlinie vorgeschrieben aufbereitet werden und stattdessen illegal verbracht oder entsorgt werden, stellt dies dem Rechnungshof zufolge eine Umweltstraftat dar.
„Die europäische Kunststoffindustrie ist darauf angewiesen, dass der Staat konsequent gegen Umweltkriminalität vorgeht, um auch im Zuge der Transformation in eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft international wettbewerbsfähig zu bleiben“, betont Kronimus und ergänzt: „Die Unternehmen in Deutschland und Europa müssen sich beispielsweise darauf verlassen können, dass Rezyklat korrekt deklariert ist. Die Unternehmen sollten sich daher auf europäischer Ebene noch stärker dafür einsetzen, dass bestehendes Recht eingehalten und durchgesetzt wird.“
Autor: Alexander Stark, Freier Fachjournalist