Unternehmerin: „Unsere DNA ist die soziale Nachhaltigkeit“
01.08.2024 Insights Frauen in der Verpackungsindustrie Interview

Unternehmerin: „Unsere DNA ist die soziale Nachhaltigkeit“

Im Interview mit FACHPACK360° spricht Cordula Schulz, Inhaberin der Schulz Flexgroup GmbH, über Chancengleichheit und Mut in der Verpackungsbranche. Das Familienunternehmen ist Spezialist für die Bedruckung und Veredelung von Primärverpackungen für die Pharma- sowie Kosmetikindustrie und für technische und Non-Food-Anwendungen.

Portrait von Cordula Schulz, Schulz Flexgroup GmbH. Cordula Schulz ist seit 2013 alleinige geschäftsführende Gesellschafterin der Schulz Flexgroup GmbH.

Sie sagten einmal, dass Sie den Fokus auf die Vielfalt und die Entwicklungspotenziale des Mittelstands bevorzugen. Was bedeutet dies?

Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft: 99,3 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind KMU. Mehr als die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeitet in kleinen und mittleren Unternehmen. Dabei vereint der Mittelstand das Unvereinbare, nämlich Stabilität und Fortschritt. Das sieht man auch sehr gut an meinem Unternehmen. 60 Prozent meiner Kolleginnen und Kollegen sind seit zehn Jahren bei der Schulz Flexgroup, mit rund 45 Prozent unserer Lieferanten und Kunden arbeiten wir seit 15 Jahren und länger zusammen. Das sind nachhaltige, verlässliche Beziehungen, die zum Teil schon seit Generationen bestehen. Andererseits ist es mir ein großes Anliegen, die Firma zukunftsfähig und damit digital aufzustellen.

Dazu habe ich in den vergangenen Jahren etliche Change-Prozesse initiiert und in neue Technologien investiert, allein in den vergangenen fünf Jahren waren es 10 Millionen Euro nur für neue Maschinen und Betriebseinrichtungen. Vielleicht wurde mein Unternehmen deshalb als „Arbeitgeber der Zukunft – digital, innovativ, modern“ ausgezeichnet. Das Entwicklungspotenzial des Mittelstands liegt in seiner Vorbildfunktion. Es gibt unter uns Mittelständlern so viele glänzende Beispiele erfolgreicher Unternehmen, aber nur wenige sind wirklich sichtbar. Kein anderes Land hat so viele Hidden Champions wie Deutschland.

Auch fordern Sie Unternehmen auf, mehr Mut zu haben. Was wäre denn mutig in der Verpackungsbranche?

Mutig im unternehmerischen Kontext bedeutet für mich, Neuland zu betreten und gegen den Strom zu schwimmen. Wenn andere sparen, investiere ich. Wenn andere vorsichtig und zurückhaltend agieren, wage ich den Sprung ins kalte Wasser. So habe ich zum Beispiel mitten in der Corona-Pandemie eine Maschine aus Italien gekauft. Sie musste mitsamt ihren Konstrukteuren wochenlang in Quarantäne gehen, bevor sie aufgestellt und in Betrieb genommen werden konnte. Das war ein großer organisatorischer Kraftakt, von dem zu Beginn niemand wusste, wie er ausgehen würde. Mutig war auch, dass wir während der Pandemie einen dreimal höheren Lagerbestand unterhielten als vor der Pandemie. Denn nur so konnten wir die Belieferung unserer Kunden sicherstellen trotz unterbrochener Lieferketten.

Ein anderes Beispiel ist die Investition in drei Druckmaschinen vor allem für die Bedruckung von Blisterfolien, die eigentlich für den Etikettendruck konzipiert sind. Gegenüber den üblichen Flexo-Druckmaschinen bieten sie insbesondere aus Bedienersicht im Bereich der Ergonomie eindeutige Vorteile. Kühlung und Trocknung anzupassen und die Maschine zu komprimieren, war nicht einfach umzusetzen. Aber wir haben hartnäckig gemeinsam mit unserem Partner die Idee weiterverfolgt. Die Kollegen, die an diesen Maschinen arbeiten, sind sehr zufrieden, weil sie leichter zu bedienen und schneller ist. Unser Mut wurde also belohnt.

Sie haben das Unternehmen, das Ihr Vater gegründet hat, übernommen. Fiel Ihnen diese Entscheidung schwer oder war es eine Selbstverständlichkeit?

Anfangs fiel mir die Entscheidung schwer, weil mir noch das nötige Selbstvertrauen fehlte. Die Verpackungsbranche ist nach wie vor von Männern dominiert. Und mir war von Anfang an völlig klar, dass eine Übernahme auch einen Wechsel im Führungsstil bedeuten würde. Aber Familie, Kollegen, Kunden und Lieferanten haben mir gespiegelt, dass sie an mich glauben – und irgendwo tief in mir drin habe ich wohl auch die Kraft gespürt, die es dafür braucht. Also nahm ich die Herausforderung an. Inzwischen bin ich das, was man eine Vollblut-Unternehmerin nennt. Ich lebe das, was ich liebe, und habe mein Unternehmen zur größten inhabergeführten und unabhängigen UV-Flexodruckerei Europas entwickelt.

Ist es für Sie eine besondere Rolle – als Frau an der Spitze?

Nein, weil ich mir meiner Vorbildfunktion von Anfang an bewusst war. Ich erwarte von anderen nur das, was ich selbst einbringe: Leistung, Engagement und Freude an der Arbeit. Mit diesen Voraussetzungen ist die Position fast egal.

Sollten Frauen in der Verpackungsindustrie mehr gefördert werden?

Meiner Meinung nach sollten wir den Radius größer fassen und nicht auf die Verpackungsbranche reduzieren. Ich bin sehr stark ehrenamtlich engagiert und in allen Gremien fördere ich die Sichtbarkeit weiblicher Industrieunternehmerinnen. Als Bundesvorständin im Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU e.V.) setze ich mich zum Beispiel stark für Unternehmensnachfolgerinnen ein. Und natürlich fördere ich Frauen auch in meinem eigenen Unternehmen. Ihr Anteil in Führungspositionen ist mit 45 Prozent überdurchschnittlich hoch, vor allem wenn man bedenkt, dass bei der Schulz Flexgroup überhaupt nur 23 Prozent der Belegschaft weiblich ist.

Nachhaltigkeit ist in aller Munde, was bedeutet dies für Ihr Unternehmen?

Wir halten stets ein großes Produktportfolio an nachhaltigen Folien bereit. Unsere Druckfarben erfüllen die Vorgaben der Mineralölfreiheit und entsprechen der EuPIA-Guideline (Leitlinie der European Printing Ink Association). Wir haben knapp 1 Millionen Euro in Photovoltaikanlagen an beiden Standorten in Baden-Baden und Roth bei Nürnberg investiert und 800.000 Euro in effiziente Gebäudetechnik.

Aber unsere DNA ist die soziale Nachhaltigkeit. Wir begreifen uns als Chancengeber für Menschen, die woanders durchs Raster fallen. Wir sind multinational und beschäftigen viele Quereinsteiger. Unser Team profitiert von zahlreichen Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Und es gibt bei uns viele Beispiele für interne Karrieren, weil mir das Entrepreneurship so extrem wichtig ist. Talente zu erkennen und ihnen den Raum zu bieten, in denen sie erblühen können – das ist mein Ziel als „Frau in der Verpackung“.

Sie arbeiten viel mit der Pharmaindustrie zusammen. Wie entwickeln sich da die Verpackungen?

Die Regularien in der Pharmabranche sind besonders restriktiv – das gilt auch für Zulieferbetriebe. Primärpackmittel gelten als Bestandteil des Arzneimittels. Sie unterliegen strengen gesetzlichen Anforderungen und sind Teil der jeweiligen Arzneimittelzulassung. Jedes Verpackungsmaterial, jede Produktionsstätte und alle Herstellungsprozesse durchlaufen daher aufwendige Laboruntersuchungen und unterliegen engmaschigen Kontrollen. Wird auch nur ein Parameter geändert, ein Lieferant ausgetauscht oder ein Verpackungsmaterial ersetzt, müssen die zeit- und ressourcenintensiven Regularien wie zum Beispiel Stabilitätsprüfungen wiederholt werden. Sie können bis zu drei Jahre dauern. Dennoch geht der Trend auch hier eindeutig zu mehr Nachhaltigkeit durch umweltfreundlichere Materialien, biologisch abbaubare Kunststoffe und Modelle zur Kreislaufwirtschaft.

Wir erhalten jedenfalls vermehrt Anfragen nach pharmakonformen, recyclingfähigen Verpackungsfolien, zum Beispiel in Form recycelbarer Monomaterial-Blister. Unser Sortiment passen wir permanent den neuen Entwicklungen an und haben momentan acht recyclingfähige Folien auf Lager.