Haarkosmetik goes green: Minimaler Materialeinsatz, maximaler Impact
02.08.2024 Insights Sustainability Interview

Haarkosmetik goes green: Minimaler Materialeinsatz, maximaler Impact

Wie lässt sich Nachhaltigkeit in der wettbewerbsintensiven Haarkosmetikbranche umsetzen? Auf der FACHPACK 2024 geben Experten Einblicke in innovative Verpackungslösungen. Sebastian Kraus von den Kao Europe Research Laboratories verrät in diesem Interview schon vorab, wie es bei der ikonischen Guhl-Flasche gelungen ist, die Balance zwischen Nachhaltigkeit und Marktansprüchen zu meistern.

Gastbeitrag von Matthias Mahr

Sebastian Kraus, Associate Director Packaging Development bei Kao Europe Research Laboratories Sebastian Kraus, Associate Director Packaging Development bei Kao Europe Research Laboratories, spricht auf der FACHPACK zu nachhaltigem Verpackungsdesign.

In der heutigen Konsumgesellschaft steht die Verpackungsindustrie vor einem großen Dilemma: Wie lässt sich Nachhaltigkeit mit den Anforderungen eines wettbewerbsintensiven Marktes in Einklang bringen? Dieses Spannungsfeld thematisiert auf der FACHPACK 2024 der Vortrag „Gut für mich. Gut für unsere Umwelt. Nachhaltigkeits-Update Guhl“. Sebastian Kraus, Associate Director Packaging Development bei Kao Europe Research Laboratories, und Prof. Dr. Sven Sängerlaub von der Hochschule München werden dabei auf die jüngsten Entwicklungen eingehen. Wir haben vorab bei Sebastian Kraus nachgefragt.

Ist eine individuelle Produktverpackung nicht ein Widerspruch an sich? Müsste aus Nachhaltigkeitssicht nicht eher beim Packaging standardisiert werden?
Grundsätzlich haben Sie Recht – Standardisierung ist immer wieder ein Thema! So könnte man Komplexität, Kosten und CO2-Ausstoß bestimmt reduzieren...aber zu welchem Preis? Im hart umkämpften Markt der Consumer Goods bzw. Haarkosmetikprodukte muss man sich behaupten! Unsere Philosophie zum Thema Nachhaltigkeit bei Kao ist – minimaler Materialeinsatz mit maximalem Anteil an recyceltem Kunststoff! Unsere Flasche und die Werkzeuge, die die ikonische Guhl-Flasche herstellen sind zwar kein Standard, aber aufgrund der langen Nutzungsdauer dieser 3D-Form mit 100 Prozent recyceltem PET ist diese Verpackung – wenn auch kein Standard – auch als sehr nachhaltig zu bewerten. 

Kaufentscheidungen treffen Verbraucher oft unbewusst. Was bedeutet das für die Konzeption von Verpackungen?
Geben Sie 100 Menschen eine weiße, nicht dekorierte Flasche in der Guhl-Form in die Hand – und ich garantiere Ihnen, ein Großteil wird sie erkennen. Die Weißunterlegung der Etiketten lassen den weißen Markenblock aus dem bunten Shampoo-Regal herausstechen. Bei Guhl geht es den Konsumentinnen um Vertrauen gegenüber der Marke – und das versuchen wir zu gewinnen und zu erhalten.

Es gibt seit Jahren mit wechselndem Erfolg „Unverpackt Läden“. Braucht es für Grundnahrungsmittel keine Verpackung? Gibt es dort keine Impulskäufe?
Grundnahrungsmittel, die mit kurzen Wegen frisch gekauft und schnell verzehrt werden brauchen gerade in Ballungsräumen wahrscheinlich in der Tat keine Verpackung. Aber in unserem Bereich der Haarpflegeprodukte ist das anders. Denken Sie an das Shampoo in Ihrer Sporttasche. Auch die Paper-Bottle kommt immer wieder ins Gespräch, aber unter der Dusche? Kunststoff wird oft sehr negativ dargestellt,  echte Alternativen gibt es leider kaum. Daher setzen wir auf recycelte Materialien.

Warum sind Druckbild, Material, Form oder haptische Prägung für eine Marke so wichtig?
Ein Produkt lebt nicht nur von der Optik. Klar muss es im Regal gut aussehen. Eine Flasche mit einer tollen Haptik, die ergonomisch in der Hand liegt und beim Öffnen des Verschlusses eine Wertigkeit in Form eines satten „Klack“-Gefühls oder sogar eines Geräusches ausdrückt – all diese Details lassen ein Produkt wirken und jeder Verbraucher kategorisiert dann unbewusst. Neben dem Produkterlebnis sind diese unterbewussten Details sehr wichtig, wirken als Ganzes und sind entscheidend für die erneute Kaufentscheidung oder eben nicht.

Verpackungsmaterialien stehen seit längerer Zeit sehr in der Kritik. Besonders Kunststoffe werden sehr negativ betrachtet. Gibt es aus Ihrer Sicht das optimale und nachhaltige Verpackungsmaterial für unterschiedlichste Einsatzzwecke – also vom Lebensmittel bis hin zur Schraube im Baumarkt?
Ich halte nichts von bioabbaubaren Kunststoffen in unseren westlichen Märkten. Es gibt keine Materialströme und kompostierbar sind sie auch nicht. Der Energiegehalt jeder Kunststoffverpackung muss als Wert gesehen werden. Und dieser Wert kann durch Recycling erhalten bleiben. Es muss an der Effizienz gearbeitet werden und auch daran, dass vielleicht weitere Materialströme entstehen. Es gibt kein „Allrounder-Material“. Man muss das richtige Material für die richtige Anwendung auswählen und der Materialeinsatz muss angemessen sein. Das ist die Aufgabe jeder Verpackungsentwicklung, die die Verantwortlichen der jeweiligen Marken in ihren Entscheidungen lenken muss.