Kartonhersteller gegen Mehrwegquoten
20.07.2023 Sustainability New Paths Design Start-ups Artikel

Kartonhersteller gegen Mehrwegquoten

Mehr Fahrzeugemissionen, mehr Wasserverbrauch, mehr Kosten: Pro Carton, europäischer Verband der Karton- und Faltschachtelhersteller, kritisiert die pauschale Bevorzugung von Mehrweglösungen seitens der EU-Kommission in der geplanten Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR). Fossilbasierte Mehrweglösungen seien am Ende teuer als natürliche Einwegverpackungen aus Papier, heißt es.

Die faserbasierten und nachwachsenden Packstoffe Papier, Wellpappe und Karton sind ein umweltfreundliches Verpackungsmaterial, wie auf der FACHPACK 2022 gezeigt wurde. Die faserbasierten und nachwachsenden Packstoffe Papier, Wellpappe und Karton sind ein umweltfreundliches Verpackungsmaterial, wie auf der FACHPACK 2022 gezeigt wurde.

Die geplante PPWR-Verordnung ist bekanntlich umstritten. Die Papier- und Kartonbranche sieht sich benachteiligt und liefert neue Zahlen, um in Brüssel Gehör zu finden. Wenn Pro Carton-Generaldirektor Horst Bittermann über die PPWR-Verordnung redet, dann spricht er schon mal von „wenigen Fundamentalisten“, die die reale Wirtschaft und die Konsumentinnen und Konsumenten ignorieren würden. Zweifellos, so betont er auch, unterstütze Pro Carton das Ziel einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft für Verpackungen sowie die geplante Harmonisierung des EU-Binnenmarktes. Über die Wege zu diesem Ziel gibt es allerdings derzeit unterschiedliche Auffassungen.

Die EU will unter anderem mit der Einführung einer Mehrwegquote für E-Commerce-Verpackungen, für To-Go-Verpackungen und bestimmte Transportverpackungen, das Verpackungsaufkommen reduzieren.

Die faserbasierten und nachwachsenden Packstoffe Papier, Wellpappe und Karton seien bereits ein umweltfreundliches Verpackungsmaterial und ein Paradebeispiel für eine jahrzehntelang funktionierende Kreislaufwirtschaft, denn sie zeichnen sich bereits durch hohe Recyclingquoten aus, die sich in Österreich bei rund 85 Prozent bewegen, so Bittermann.

Neue Studie: Transportkosten steigen

Der Verband stützt sich auf eine aktuelle McKinsey-Studie, deren Ergebnis lautet: Im Vergleich zu Einweg-Alternativen führt die Einführung von Mehrwegverpackungen im Onlinehandel von Non-Food-Produkten in Deutschland zu einer Zunahme der C02-Emissionen von 10 bis 40 Prozent. Auch die Kosten stiegen um mehr als 50 Prozent – je nach Verpackungsmaterial.

Jedes zehnte Paket wiederverwendbar zu machen, führe zu Mehrkosten von rund 30 Millionen Euro für den gesamten Markt in Deutschland, heißt es in der Studie weiterhin. Bei Paketen, die 20 Umläufe erreichen, wird der Transport wahrscheinlich mehr als 75 Prozent der Kosten und mehr als 65 Prozent der CO2-Emissionen ausmachen.

Gegen die verpflichtende Einführung von Mehrweglösungen spreche, so Bittermann, dass lange Transportwege nötig seien, und die Logistik dafür nicht vorhanden sei. Aufwändige Reinigungsprozesse vor allem für Lebensmittel-Verpackungen führten zudem zu einem unnötig hohen Wasserverbrauch und einem Hygiene Problem. Es müsste weiterhin mit geringeren Umlaufzahlen gerechnet werden, denn nicht jeder Konsument bringe am Ende beispielsweise die Pizza-Verpackung wieder zurück. Dies könne sich daher ebenfalls negativ auf die Umweltwirkung von Mehrwegverpackungen auswirken.

„Es sollten jene Optionen mit der geringsten Umweltauswirkungen und den niedrigsten Kosten für Konsumentinnen und Konsumenten gefördert und gestützt werden. Daher halten wir pauschale Mehrwegquoten für den falschen Weg. Wird dennoch daran festgehalten, sollten PPK-Verpackungen mit Blick auf ihre tatsächlichen positiven Umweltwirkungen konsequent vom Regelungsregime der Mehrwegquoten des Art. 26 PPWR ausgenommen werden“, so Pro Carton. Bittermann vermisse aus Brüssel, dass bislang keine wissenschaftlichen Belege für die Vorteile eines Mehrwegsystems vorgelegt worden seien. Es gehe hier nicht nur um die ökologischen Vor- und Nachteile einer Verpackung, sondern auch um Lebensmittel, „um deren Schutz und die Verschwendung von Nahrung, wenn diese Produkte nicht ausreichend durch die Verpackung geschützt sind.“

„Die ökologische Belastung von Nahrungsmittelverschwendung ist um ein Vielfaches höher als die der schützenden Verpackung“, gibt er zu Bedenken. Was zähle, sei ein möglichst geringer ökologischer Fußabdruck bei bestmöglicher Funktionalität der Verpackung über den gesamten Lebenszyklus.

Dass 2030 auch für den Transport von Elektrogroßgeräten Mehrwegverpackungen eingeführt werden sollen, sieht Bittermann als ein logistisches Problem. Eine Verpackung für einen Kühlschrank könne nicht später für Staubsauger angepasst werden. „Es fehlt außerdem an Lagerräumen für Milliarden von Mehrwegverpackungen, die nötig wären.“ Auch Der aktuelle Entwurf besagt, dass ab 2040 schon mindestens 50 Prozent aller Transportverpackungen im Onlinehandel wiederverwendbar sein sollen.

Wellpappen-Industrie warnt

Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) kommt in einer neuen Studie, die im Auftrag des Verbandes der Wellpappen-Industrie e.V. (VDW) erstellt wurde, ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die pauschalen Vorgaben für einen weitreichenden Einsatz von Mehrwegverpackungen nicht zielführend seien. „Elf Prozent mehr Kunststoffverbrauch, 200 Prozent mehr Transportkilometer, 80 Prozent mehr Lagerfläche und um bis zu 400 Prozent höhere Kosten für Packmittel. Unter anderem diese Folgen drohen im Jahr 2040, wenn die Verpackungsverordnung in der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Form verabschiedet wird“, warnt der Vorsitzende des VDW Dr. Steffen P. Würth unter Berufung auf die GVM-Studie.