Sekt ohne Folie am Flaschenhals
11.10.2023 Sustainability New Paths Design Start-ups Artikel

Sekt ohne Folie am Flaschenhals

Das Design von Sektflaschen könnte sich künftig ändern: Eine neue EU-Regelung ermöglicht es Herstellern von Sekt, ihre Flaschen ohne Folienkapsel herzustellen. Die Meinungen in der Branche sind gespalten.

Geldermann präsentiert 2023 zu den Bayreuther Festspielen eine besondere Flasche. Geldermann präsentiert 2023 zu den Bayreuther Festspielen eine besondere Flasche.

Parsifal, Richard Wagners letztes Bühnenwerk, war das zentrale Stück der diesjährigen Bayreuther Festspiele. Für die Neuinszenierung der Oper hatte Sekthersteller Geldermann eine außergewöhnliche Bayreuther Festspiel-Cuvée komponiert. Und zu jeder Flasche gab es das beliebte Opernheft des Reclam-Verlags als Zugabe, jedoch nicht mit gewohnt gelbem Einband, sondern als Geldermann-Parsifal-Sonderedition, bedruckt mit dem Motiv des Cuvée-Etiketts. Geldermann hat damit beispielhaft gezeigt, dass in der Getränkebranche Verpackungen und Etikettierung eine zentrale Rolle spielen. Um in dem Bild zu bleiben: Sie sind die Bühne der Marke. Opulenz auf der einen Seite, Nachhaltigkeit auf der anderen: zahlreiche Winzer wünschen sich weniger Verpackung. Das Thema ist jedoch keine Geschmacksfrage, sondern derzeit ein Politikum.

Nach einer neuer EU-Vorschrift darf Sekt ohne Folienkapsel am Flaschenhals verkauft werden. Winzer Florian Lauer vom Weingut Peter Lauer hätte sich diese Vorschrift zwei Jahre früher gewünscht, dann wäre ihm ein Rechtsstreit erspart geblieben. Denn für sein Vorhaben, Sekt ohne Folienkapseln zu verkaufen, musste er damals juristisch eine Niederlage einstecken. Lauer ist froh über die EU-Vorschrift und einen Antrag aus Italien, „der Bewegung in die Sache gebracht hat“. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob die Folie beim Export in Ländern außerhalb der EU weggelassen werden dürfe.

„Umweltschädliches Accessoire“

Lauers Anliegen teilten damals bereits mehrere deutsche Winzer, er zog stellvertretend vor Gericht und klagte in Sachen Weinrecht gegen das Land Rheinland-Pfalz. Seine Argumente: die Folie sei ein umweltschädliches Accessoire. Sie habe keinerlei technische Funktion, sondern sei rein dekorativ. Der Korken, der auf der unter hohem Druck stehenden Sektflasche stecke, werde bereits durch die „Haltevorrichtung“ auf der Flasche gehalten, so dass er sich nicht ungewollt lösen könne. Da es sich um eine „Folie“ handeln müsse, sei ein bloßer Papierverschluss nicht zulässig. Vielmehr handle es sich in der Regel um Aluminium oder Aluminium-Verbundmaterial. Dieses Material lasse sich nicht vernünftig recyceln.

Doch das Verwaltungsgericht Trier wies die Klage ab, berief sich dabei auf geltende Verordnungen, die einzuhalten seien. Die Revision vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz ist zugelassen und Lauer war bereit, bis zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu gehen - aber der Klageweg sei jetzt überflüssig.

Schutz des Schaumweins

Viele große Sekthersteller sehen die neue EU-Vorschrift- anders als Florian Lauer- skeptisch. „Verbraucherinnen und Verbraucher können einen Schaumwein von außen sofort an der charakteristischen Schaumwein-Glasflasche und der Umkleidung des Flaschenhalses mit einer Folie erkennen“, stellt Oliver Hennes vom Verband Deutscher Sektkellereien fest. Dies könne sich mit der neuen EU-Vorschrift ändern. Dem Verband, der für 95 Prozent der Sektherstellung in Deutschland stehe, sei es wichtig, „dass die traditionelle und als Qualitätsmerkmal von Verbraucherinnen und Verbrauchern gelernte Schaumweinausstattung“ eine Orientierungshilfe bleibe. „Die Sektkapsel gehört seit jeher zum optischen Merkmal von Qualitätsschaumweinen“, so die Henkell & Co Sektkellerei in Wiesbaden. Der Beschluss der EU-Kommission biete nun zusätzliche Möglichkeiten in der Gestaltung des Designs – ein Faktor, der in der Branche auch begrüßt wird.

Volker Raumland vom gleichnamigen VDP-Sektgut in Flörsheim-Dalsheim nennt die Entscheidung „zeitgerecht“. Sie helfe, künftig flexibler reagieren zu können. „Die Verpflichtung, eine Sektkapsel anzubringen, hat früher durchaus Sinn gemacht, um Schaumweine in traditioneller Flaschengärung von anderen Produkten unterscheiden zu können – zum Schutz des Schaumweines gegenüber günstigeren Perlweinen.“

In der Vergangenheit habe Raumland aber mitunter bis zu zwei Jahre auf seine Sektkapseln warten müssen, etwa aufgrund von Lieferengpässen bei den Materialien. Sein Haus werde allein aus Nachhaltigkeitsgründen bei einigen Produkten die Kapsel weglassen, kündigt Raumland an. Nun könne darüber nachgedacht werden, welche anderen Sekte künftig keine Kapsel mehr tragen. „Wichtig bleibt jedoch: Der Verschluss der Sektflasche muss sicherstellen, dass es zu keiner ‚Gefahr‘ bei der Lagerung oder Öffnung der Flasche kommt“, betont er.

Das Deutsche Weininstitut (DWI) begrüßt die EU-Regelung. Es sei sinnvoll, künftig aus betrieblichen Gründen, um Kosten zu sparen und Abfall zu vermeiden, auf die Verwendung von Kapselfolien für Sektflaschen verzichten zu können, wenn die Mitgliedsstaaten und Erzeuger dies so festlegten, sagt DWI-Sprecher Ernst Büscher.

Anne Schmidt von den Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien in Eltville betont: „Unabhängig von den EU-Vorschriften zur Schaumweinausstattung arbeiten wir laufend daran, die Ausstattung und Verpackung unserer Produkte, zu denen auch die Kapsel gehört, zu optimieren.“