„Wer jetzt nicht handelt, riskiert signifikante Wettbewerbsnachteile“
Die Wahl des für ihre Produkte passenden und auch nachhaltigen Verpackungsmaterials gehört für viele Unternehmen zum Tagesgeschäft. Doch was sind die entscheidenden Kriterien und wonach sollten sie sich richten? Diese Fragen beantwortet Claudia Rivinius, Marketing Director des Herstellers von Verpackungen und POS-Lösungen STI Group, im Interview mit FACHPACK360°. Ihr Vortrag auf der SOLPACK 5.0 steht unter der Überschrift „Frischfaser, Recyclingfaser, alternative Fasern – wie die Wahl nicht zur Qual wird“.
Welches Material steht für Sie in Bezug auf Nachhaltigkeit an der Spitze?
Die Antwort ist wie so oft im Leben: Es kommt darauf an. Grundsätzlich haben alle faserbasierten Verpackungen den Vorteil, dass sie aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und über den Altpapierkreislauf recyclingfähig sind. Alternative Fasern wie Gras oder Silphie werden dabei nicht singulär eingesetzt, sondern ergänzen holzbasierte Fasern, da sie andere physikalische Eigenschaften aufweisen. Und auch der Vergleich des Product Carbon Footprints der Materialien hängt maßgeblich von dessen Erzeugung und der dabei verwendeten Energiequelle ab. So ist der Vergleich eines Zellstoffkartons, der mit grüner Energie produziert wird, mit einem Recyclingkarton, für dessen Erzeugung Gas als Energielieferant eingesetzt wird, schwierig und die Werte schwanken von Lieferant zu Lieferant.
Ist dann überhaupt eine endgültige Entscheidung möglich?
Für uns entscheidend ist, dass wir Monomateriallösungen auf den Markt bringen, die vollständig recyclingfähig sind. Dabei spielt der Schutz des Produktes die wichtigste Rolle, denn die negativen Umweltauswirkungen von Produkten, die durch eine unzureichende Verpackung beschädigt werden oder verderben, können deutlich höher sein als die der Emissionen durch mehr Verpackung.
Was sind die ausschlaggebenden Punkte und Faktoren für die Auswahl der passenden Faser?
Für die optimale Materialwahl sind die Performance-Kriterien der Verpackung entscheidend, das heißt, welche Anforderungen die Verpackung erfüllen muss. Ausschlaggebend ist dabei zunächst das Produkt selbst. Bei Lebensmitteldirektkontakt, pharmazeutischen Produkten oder Gefahrgütern gibt es beispielsweise spezielle Anforderungen. Häufig ist hier der Einsatz von Frischfasermaterial zwingend, um eine potenzielle Migration aus dem Altpapier von vornherein auszuschließen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welchen Belastungen ein Produkt auf dem Transportweg ausgesetzt ist, das heißt, welche Falltests muss es bestehen, wie wird es gelagert und versendet? Eine Waschmittelpackung, die im Supermarkt verkauft wird, ist anderen Belastungen ausgesetzt als eine Waschmittelpackung, die als Ships-in-Product-Packaging-Lösung direkt vom Onlinehändler ohne zusätzliche Umverpackung verkauft wird. Hinzu kommt die Frage, ob die Verpackung manuell oder maschinell befüllt wird. Für eine optimale Laufleistung auf der Maschine haben gleichbleibende Materialeigenschaften oberste Priorität, um Maschinenstillstände zu verhindern. Und last but not least spielen auch Druck- und Veredelungsanforderungen eine entscheidende Rolle bei der Materialwahl. Auf gebleichten Frischfasermaterialien lassen sich andere optische Effekte erzielen als auf ungestrichenen Materialien oder Recyclingpapieren.
Welche Rolle spielt die Recyclingfähigkeit der Materialien gegenüber einer Mehrwegnutzung?
Mehrwegverpackungen basieren auf Standardlösungen und vor allem Standardabmessungen, die es heute nur in wenigen Branchen gibt. So haben die Pizzasorten verschiedener Hersteller unterschiedliche Abmessungen und die Müslimischungen differierende Volumina und Füllmengen. Zahlreiche Studien haben sich bereits mit dem Vergleich von Mehrweg- und Einweglösungen befasst, diese zeigen, dass ein Vergleich von Mehrweg- und Einweglösungen komplex ist. So stellt sich immer die Frage nach der Anzahl der Umläufe, den zusätzlichen Leerfrachten oder dem Energieeinsatz für die Reinigung der Mehrwegbehälter.
Wir streben danach, die von uns eingesetzten Ressourcen im Sinne der Circular Economy so lange wie möglich im Kreislauf zu halten und eine maximale Recyclingeffizienz zu erreichen. Darüber hinaus wollen wir das Anwendungsspektrum faserbasierter Verpackungen erweitern und heutige kunststoffbasierte Verpackungen durch nachhaltige Lösungen ersetzen.
Wie sehen Sie die Entwicklung in den nächsten Jahren?
Was regulatorisch aktuell durch die EU auf uns zukommt – sei es der Green Deal mit der PPWR oder die EU Deforestation Regulation (EUDR) – ist für Unternehmen eine enorme Herausforderung. Wer jetzt nicht handelt, riskiert signifikante Wettbewerbsnachteile. Gleichzeitig bieten die erweiterten regulatorischen Anforderungen auch Möglichkeiten zur Marktdifferenzierung.
Wir haben daher das vielseitige Wissen unterschiedlicher Experten und unser eigenes Know-how in einem Whitepaper mit dem Titel „Future Ready Packaging“ zusammengeführt, das wir erstmals auf der FACHPACK präsentieren. Im Fokus des Whitepapers steht genau die Frage nach der kommenden Entwicklung – wir haben die Implikationen des European Green Deal und damit die neue Rolle der Verpackung in den Fokus genommen.