EU-Rechnungshof: Lebensmittelkennzeichnung führt zu Verwirrung
18.12.2024 Retail Brands Industry Look into Europe Artikel

EU-Rechnungshof: Lebensmittelkennzeichnung führt zu Verwirrung

Verpackungen, auf denen viele Siegel, nichtssagende Informationen und Etiketten angebracht werden: Die Kennzeichnung von Lebensmitteln gleiche in der EU einem Labyrinth, so der EU-Rechnungshof. Er warnt davor, dass Verbraucher bei einem Wirrwarr an Informationen den Überblick verlören und spricht sogar von Irreführung.

FACHPACK Messe mit Besuchern, Bereich Etiketten. Das Thema „Kennzeichnung und Etikettierung“ ist für Verpackungen enorm wichtig. Mit dem Gemeinschaftsstand im Pavillon „Etiketten & mehr“ bietet die FACHPACK Unternehmen aus der Etikettenbranche eine unkomplizierte Teilnahme an der Messe.

Die Botschaft des EU-Rechnungshofes ist deutlich: „Die Lebensmittel-Kennzeichnung in der EU ist oft irreführend“. Dabei soll sie den Menschen eigentlich helfen, beim Einkaufen die für sie richtigen Entscheidungen zu treffen. Die europäischen Verbraucher würden jedoch mit immer mehr Versprechen, Logos, Slogans, Gütesiegeln und Bewertungen konfrontiert, die nicht nur verwirrend, sondern geradezu irreführend sein können, heißt es in einem 65-seitigen Sonderbericht des EU-Rechnungshofes.

Die EU-Vorschriften stellten nach Einschätzung der Rechnungsprüfer zwar sicher, dass die Etiketten grundlegende Informationen für die Verbraucher enthielten, was ein guter Ausgangspunkt sei. Sie stießen jedoch auch auf eine „Reihe besorgniserregender Lücken in den Rechtsvorschriften“ sowie Probleme bei Kontrollen und Sanktionen.

„Kreativität“ bei Angaben auf Verpackungen

„Anstatt Klarheit zu schaffen, führen Lebensmitteletiketten oft zu Verwirrung; es gibt hunderte verschiedene Kennzeichnungssysteme, Logos und Werbeversprechen, die die Käufer entschlüsseln müssen", erklärt EU-Rechnungsprüferin Keit Pentus-Rosimannus. Die Unternehmen legten bei den Angaben auf den Verpackungen „große Kreativität an den Tag.“

Nach Ansicht der Prüfer benachteiligten bestimmte Formen der Kennzeichnung einige Verbraucher sogar. Kritisiert wird, dass sich Lebensmittelallergiker mitunter mit vagen Aussagen wie „kann … enthalten“ auseinandersetzen müssten. In der Praxis schränke dies ihre Auswahlmöglichkeiten ein. Dem Rechnungshof zufolge ist zudem das Verwenden von Aufschriften wie „vegan“ oder „vegetarisch“ nicht reglementiert. Eine EU-weite Definition für solche Erzeugnisse gebe es nicht.

Auf Kritik der Rechnungsprüfer stößt außerdem, dass Systeme zur Kennzeichnung des Nährwerts auf der Vorderseite von Verpackungen wie Nutri-Score, NutrInform und Keyhole nicht in allen Mitgliedstaaten zum Einsatz kommen. Standardisierte Vorschriften könnten den Verbrauchern jedoch dabei helfen, Orientierung zu erhalten. Stattdessen habe in den EU-Ländern das Nebeneinander verschiedener Systeme mit jeweils unterschiedlicher Aussage genau den gegenteiligen Effekt.


Zu viele Etiketten und Logos

Unzählige freiwillige Labels, Logos und Angaben, die zum Kauf verleiten sollen, würden dies noch verstärken. Sogenannte „Clean Labels“ über das Fehlen bestimmter Inhaltsstoffe, wie etwa „antibiotikafrei“ seien ebenfalls kritisch zu sehen. Genannt werden auch nicht zertifizierte Eigenschaften wie „frisch“ oder „natürlich“, aber auch eine breite Palette umweltbezogener Aussagen, die Greenwashing gleichkämen.


Greenwashing und zu wenige Kontrollen?

Aus Sicht des EU-Rechnungshofs wird der Aufklärung der Verbraucher keine hohe Dringlichkeit beigemessen. Nicht zufrieden ist der Rechnungshof auch mit den amtlichen Kontrollen. Lebensmittelunternehmen könnten die „schwachen Kontrollen und Sanktionen“ ausnutzen, heißt es. Bei vorgeschriebenen Angaben funktionierte die Überwachung zwar in der Regel gut. Freiwillige, nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben oder der Online-Verkauf von Lebensmitteln würden jedoch – wenn überhaupt – nur selten überprüft. Zudem sind die bei Verstößen verhängten Bußgelder nach Ansicht der Prüfer zu gering.

Die Vorsitzende des Verbraucherschutzausschusses im EU Parlament, Anna Cavazzini (Grüne), kann die Kritik nachvollziehen. Der EU Rechtsrahmen sei komplex, das Kontrollsystem der Angaben oft nationale oder gar Ländersache. Sie verweist darauf, dass die EU im Kampf gegen Greenwashing kürzlich strengere Vorgaben für Label mit Umweltaussagen gemacht hat. Diese neuen Regeln müssten nun konsequent umgesetzt und angewandt werden.

Peter Loosen, Geschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland, erklärte, dass es der Wirtschaft Probleme bereitet, dass einige Themen noch immer nicht geregelt seien – „beispielsweise die ‚kann enthalten‘-Kennzeichnung bei Allergenen oder die Vorgaben für vegetarische und vegane Erzeugnisse“. Nicht nur der Berechnungsmodus müsse hinterfragt werden, sondern auch, ob eine Abgabe, die nur für ein einziges Verpackungsmaterial gilt, überhaupt zur Reduktion von Einwegverpackungen beitrage.

Dr. Alexander Kronimus, stellvertretender Geschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, betrachtet die Kontrollen der EU beim Thema recycelte Kunststoffverpackungen ebenfalls als unzureichend.


EU-Definition Etiketten

Die EU definiert „Etiketten“ als „alle Aufschriften, Marken- oder Kennzeichen, bildlichen oder anderen Beschreibungen, die auf die Verpackung oder das Behältnis des Lebensmittels geschrieben, gedruckt, geprägt, markiert, graviert oder gestempelt werden bzw. daran angebracht sind“.

Nicht die Verpackungshersteller, sondern die Hersteller des jeweiligen Lebensmittels stehen nach diesem Sonderbericht also im Fokus der Kritik. Für die Verpackungsbranche bedeuten strengere Richtlinie gegen Greenwashing konkret zum Beispiel, das neue Etiketten entworfen werden müssen.

 

Von Anna Ntemiris, Redakteurin