„Gut gemachte Kunststoffverpackungen sind ausgesprochen nachhaltig“
Dr. Christine Bunte hat zum Jahresbeginn 2025 die Hauptgeschäftsführung von Plastics Europe Deutschland, dem Verband der Kunststofferzeuger, übernommen. Die Chemikerin verantwortete vorher unter anderem die politische Interessenvertretung von BASF im Bereich Kreislaufwirtschaft. Im Interview spricht Bunte unter anderem über nachhaltige Verpackungen und Geschlechterrollen.
Sie leiten seit Januar Plastics Europe Deutschland, zuvor waren sie bei BASF. Wie ist dieser Wechsel für Sie?
Es ist ein schönes Zurückkommen im Feld der politischen Arbeit über Unternehmensgrenzen hinweg: Ich habe mehrere Jahre die politische Arbeit von BASF mit gestaltet, war unter anderem drei Jahre in der politischen Vertretung des Unternehmens in Brüssel. Damals hat die EU-Kommission die Europäische Kunststoffstrategie entwickelt und die Frage, wie künftig Kunststoffkreisläufe geschlossen werden, stand weit oben auf der politischen Agenda. Zuletzt habe ich das Corporate Advocacy Team der BASF in Ludwigshafen geleitet und war für Kreislaufwirtschafts- und Umweltpolitik verantwortlich. Daher bringe ich Erfahrung in den Bereichen Kreislaufwirtschaft und Public Affairs auf nationaler und europäischer Ebene mit.
Als Chemikerin, die im Kunststoffbereich promoviert hat, kenne ich aber auch die inhaltlichen Aufgabenfelder. Bei BASF habe ich anfangs ein Labor geleitet, danach habe ich Fachjournalismus studiert und im Anschluss übernahm ich auch Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit.
BASF ist eins der rund 50 Mitglieder von Plastics Europe Deutschland. Welche Interessen vertritt der Verband mit Hauptsitz in Frankfurt?
Unsere Mitglieder sind vor allem Kunststoffhersteller. Dadurch sind alle Abnehmerindustrien für uns relevant – auch die Verpackungsbranche. Was alle gemeinsam haben, ist, dass sie vor der Frage der Wettbewerbsfähigkeit stehen. Das Abfallmanagement und die anvisierte Klimaneutralität sind für alle gleichermaßen eine Herausforderung. Wie soll bis 2050 die Kunststoffindustrie ohne fossile Rohstoffe auskommen? Das beschäftigt alle.
Rückgang an Kunststoff
Wie ist derzeit die Marktlage für Kunststofferzeuger?
Wir haben einen Rückgang zu verzeichnen. Der europäische Anteil an der globalen Herstellung von Kunststoff ist massiv zurückgegangen. Waren es 2016 noch 22 Prozent, sind es 2022 nur noch 12 Prozent gewesen.
Aber wir haben immer noch Exportüberschüsse und eine positive Handelsbilanz. Die deutsche Industrie ist weiterhin in der Lage, sich am Weltmarkt zu behaupten.
Kunststoff ist für viele große Branchen wichtig. 30 Prozent der Kunststoffe, die unsere Mitglieder erzeugen, gehen in den Verpackungsbereich. Das sind in Deutschland knapp vier Millionen Tonnen im Jahr. 2023 waren es zwölf Prozent weniger als 2021. Wir spüren den Trend zur Substitution von Kunststoff.
Wie können Kunststoffverpackungen nachhaltiger werden?
Gut gemachte Kunststoffverpackungen sind ausgesprochen nachhaltig. Barrierefolien halten zum Beispiel Schadstoffe – auch die aus der Luft – von Lebensmitteln fern. Verpackungen aus Kunststoff schützen das Produkt, bieten eine hohe Stabilität und haben ein geringes Gewicht. Dies gilt natürlich nicht für sinnlose Verpackungen und zusätzliche Umverpackungen ohne Mehrwert für Produkt oder Logistik.
Welche Schritte sind für eine Transformation der Kreislaufwirtschaft derzeit nötig?
Der erste Schritt beginnt beim Design einer Verpackung. Rohstoffe müssen durch Rezyklate der Biomasse substituiert werden. Auch der Ersatz durch klimafreundlichen Wasserstoff ist ein zukunftsweisender Gedanke. Das Problem ist derzeit die Verfügbarkeit. Unsere Mitglieder machen sich aber Gedanken darum, wie die Produkte am Lebensende sortiert und recycelt werden können.
Besonders wichtig ist mir der Dialog auf Augenhöhe mit Politik, Medien und Gesellschaft sowie mit der gesamten Wertschöpfungskette und unseren Partnern aus der Industrie. In diesen herausfordernden Zeiten müssen wir alle zusammenarbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und der EU wiederherzustellen und den Green Deal durch einen Clean Industrial Deal zu ergänzen.
In diesem Zusammenhang fordern Sie den Ausbau des chemischen Recyclings?
Ja, denn chemisches Recycling kann einen großen Beitrag zur Transformation der Kreislaufwirtschaft leisten. Allerdings soll das, was mechanisch sinnvoll recycelt werden kann, auch weiterhin mechanisch recycelt werden. Wir fordern, chemisches Recycling als Ergänzung zum mechanischen Recycling gesetzlich zu verankern - und zwar durch die Einführung einer Doppelquote für mechanisches und chemisches Recycling. Das wäre ein erforderlicher Marktanreiz, um das Recycling auszubauen. Wir benötigen dabei alle Technologien, alle Recyclingverfahren, auch die biotischen.
Wir fordern, den Rezyklatanteil von chemisch recycelten Kunststoffen mithilfe von Massenbilanzen zu bestimmen. Massenbilanzen sind ein buchhalterischer Ansatz, der es ermöglicht, die in einen Produktionsprozess eingespeisten Sekundärrohstoffe spezifischen Produktgruppen zuzuordnen. Der Ansatz ist mit der Ökostrom-Lieferungen vergleichbar.
Sie sind seit Januar die Nachfolgerin von Ingemar Bühler an der Spitze von Plastics Europe Deutschland. Dr. Alexander Kronimus, der den Verband seit Mai 2024 interimsweise geführt hat, wurde zum stellvertretenden Hauptgeschäftsführer ernannt. Zum ersten Mal steht eine Frau an der Spitze des Verbands. Was ist nötig, damit mehr Frauen in Führungspositionen der Industrie kommen?
Als erstes müssen wir aufhören, den Kindern zu erzählen, dass Jungs Technik können und Mädchen lieber mit Puppen spielen oder dass Jungs besser rechnen als Mädchen. Wenn wir diese Rollenbilder im Kleinkindalter ändern, brauchen wir Mädchen später nicht in spezielle MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) stecken. Ich hatte glücklicherweise eine tolle Chemielehrerin, die das Fach mit Begeisterung unterrichtet hat. Die Hälfte unseres Kurses hat danach naturwissenschaftliche Fächer studiert.
Auch müssen Männer stärker als Väter wahrgenommen werden. Warum fragt man nur selten die Männer, wie sie ihre Karriere mit dem Familienleben vereinbaren können?
Das sagen Sie auch als Mutter eines Kindergartenkindes?
So ist es. Und noch einmal: Männer müssen mehr in die Pflicht genommen werden, die gleichen Fragen gestellt bekommen wie berufstätige Mütter. Aber wir müssen ihnen auch zugestehen, ihre Vaterschaft aktiv zu gestalten – auch wenn sie dafür zeitweise beruflich kürzertreten oder längere Zeit in Elternzeit gehen.
Von Anna Ntemiris, Redakteurin
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