Industriedesignerin und Naturliebhaberin mit Weitblick
02.07.2024 Sustainability Design Start-ups Insights Frauen in der Verpackungsindustrie Artikel

Industriedesignerin und Naturliebhaberin mit Weitblick

Eleonore Eisath engagiert sich aus persönlicher Überzeugung in der Entwicklung neuer Recyclingtechnologien. Hauptberuflich konzipiert die Industriedesignerin Lebensmittelverpackungen nach Design for Recycling-Prinzipien für die Frankfurter Designagentur Milk.

Porträt von Eleonore Eisath, die lächelnd nach oben schaut. Die Industriedesignerin Eleonore Eisath möchte Verpackungen und Recyclingtechnologien konzipieren und nutzen, die den Kunststoffabfall reduzieren. Sie möchte mit ihrer Arbeit Lösungen für umweltgerechte Verpackungen entwickeln.

Über Abfall in der Natur hat sich Eleonore Eisath schon als Kind geärgert. Aufgewachsen in der einzigartigen Landschaft der Dolomiten in Südtirol war es für sie ein Rätsel, warum in den Bergen Kunststoffmüll so lange liegen bleiben konnte. „Ich startete mit Freunden eine Säuberungsaktion in den Bergen“, erinnert sich die 32-Jährige. Heute lebt Eisath in München und leitet als Business Development Managerin das Innovation Lab der Frankfurter Designagentur Milk. Zuvor hat Eleonore Eisath in mehreren Ländern gelebt und gearbeitet.

In Venedig absolvierte die Südtirolerin ihren Bachelor in Industriedesign, an der TU München schloss sie ihren Master an. Bei der Recherche für ihr erstes Masterprojekt stieß Eleonore Eisath auf das Thema der biotischen Zersetzung. „Die Tatsache, dass sich die Natur evolutionär so anpassen kann, dass menschengemachte Materialien zur Nahrungsquelle werden können, hat mich unglaublich fasziniert“, sagt sie. „Seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen.“ Eisath gründete das Start-up Beworm, das unter anderem vom Bund gefördert wurde. Ziel von Beworm, das inzwischen als Forschungsprojekt an der TUM angesiedelt ist, ist die biochemische Wiederaufbereitung von Polyethylen zu entwickeln und Mikroben – zum Beispiel Bakterien oder Pilze – zu finden, die Kunststoff zersetzen.

Würmer in Kunststoff

Mehr als 90 verschiedene Organismen und Mikroorganismen sind der Wissenschaft mittlerweile bekannt, die Kunststoff zersetzen können. Wenn die Larve der Wachsmotte Kunststoffe wie Polyethylen (PE) frisst, werden deren Bestandteile durch die Bakterien und Enzyme im Verdauungstrakt des Wurmes so aufgespalten, dass sie später als Rohstoff für neue Produkte verwendet werden könnten.

Der in der Forschung bekannte Vorgang wird als biotischer oder auch enzymatischer Recyclingprozess bezeichnet. Mit ihm würde sich, bei einer Umsetzung im industriellen Prozess, eine bis vor Kurzem als unüberwindbar geltende Lücke im Materialkreislauf schließen: Verbrauchskunststoffe würden zur erneuerbaren Rohstoffquelle. „Im Gegensatz zu anderen Recyclingsystemen wie dem mechanischen oder chemischen Recycling verbraucht das biotische Recycling nicht viel Energie“, erklärt Eleonore Eisath.

Nach drei Jahren als Start-up-Unternehmerin musste sich Eisath aber eingestehen, dass das Projekt eine zukunftsträchtige, aber gleichzeitig langwierige Sache ist. „Ich ging da naiv an die Sache heran, hatte unterschätzt, dass solche Vorhaben Jahrzehnte dauern können, bis sie zur Marktreife kommen“, erzählt Eisath. Bei einer Preisverleihung – Beworm errang einige Auszeichnungen – habe ihr ein Laudator gesagt, dass sie ohne diese Naivität wohl nie den Vorstoß zu so einem wichtigen Forschungsprojekt gewagt hätte. Daher bereut die Wahl-Münchnerin, die schon in Australien und Südostasien gelebt hat, bis heute die Start-up-Gründung nicht und ist froh, im regelmäßigen Austausch mit dem Beworm-Forschungsteam die neuesten Entwicklungen zu erfahren. So könne sie in der Öffentlichkeit weiterhin über den innovativen Ansatz aufklären und dafür werben.

Design for Recycling

Bis heute stelle sie sich grundsätzlich immer wieder die Frage, ob ihr Tun ökologisch ist oder nicht, erklärt sie. Nachdem sie zwischenzeitlich für das Unternehmen „Everwave“ tätig war und Müll aus den Flüssen sammelte, sei sie noch mehr davon überzeugt, dass Verbraucher, Politik und Industrie an einem Strang ziehen müssten. „Ich denke, wenn man im System daran mitwirkt, dass weniger Convenience-Produkte und weniger Materialien eingesetzt werden sollten und den Leuten erklärt, dass man auch mit nachhaltigen Ansätzen Geld verdienen kann, dann kann man etwas bewirken.“ Design for Recycling sei in der Verpackungsindustrie der Schlüssel für umweltgerechte Produkte. Diesen Ansatz könne sie in ihrer jetzigen Funktion als Leiterin des Innovation Labs bei der Agentur Milk für namhafte Kunden aus der Lebensmittelbranche voranbringen. Nicht zuletzt die aus ihrer Sicht wichtige PPWR habe viele Brand Owner dazu gebracht, ihre Produkte und speziell ihre Verpackungen gänzlich neu zu überdenken und umzugestalten.

Es gebe allerdings keine pauschalen Antworten, welches Produkt, welche Verpackung umweltgerecht ist. „Wenn jemand sagt, man müsse alle bestehenden Verpackungen auf Papier umstellen, ist er mir suspekt.“ Eisath ist direkt, hält selbstbewusst und hartnäckig an ihren Zielen fest. In Deutschland, so ihre Erfahrung, seien die Frauen zurückhaltender als zum Beispiel in ihrem Heimatland Italien. Das könne ein Grund dafür sein, warum insbesondere die Kunststoffbranche immer noch männerdominiert sei. In der Verpackungsindustrie gebe es zunehmend Frauen an der Spitze, aber es gäbe noch zu wenig weibliche Vorbilder. Daher bin ich gern wieder in der Rolle der Designerin“, sagt Eisath über ihre nächsten Schritte.