Gegen Wildwuchs an Regularien und für Chancengleichheit
20.04.2024 Frauen in der Verpackungsindustrie Insights Machinery Change Interview

Gegen Wildwuchs an Regularien und für Chancengleichheit

Im Interview mit FACHPACK360° spricht Beatrix Praeceptor, CEO Greiner Packaging, über Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffbranche, einheitliche Regeln in der EU und ihr Verständnis von Diversität.

Beatrix Praeceptor in rotem Blazer mit Greiner Verpackungen. Beatrix Praeceptor ist seit 2023 Chief Executive Officer bei Greiner Packaging International GmbH.

Sie sind seit einem Jahr CEO bei Greiner Packaging. Was war Ihre größte Herausforderung?

Mein Start bei Greiner war von der ausnehmend wertschätzenden Kultur geprägt. Von Tag eins habe ich mich als Teil des Teams gefühlt. Das ist schon eine ganz besondere Qualität. Die größte Herausforderung besteht in meiner Rolle darin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Transformationspfad, der vor uns liegt, mitzunehmen. Wir haben uns ein nachhaltiges, globales und profitables Wachstum vorgenommen. Als Unternehmen, das Kunststoffteile und -Verpackungen produziert, ist das schon eine besondere Herausforderung, die einiges an Innovation und Offenheit für Neues erfordern.

Welches Thema haben Sie persönlich im Fokus?

Mein Fokus liegt ganz klar auf dem Thema Kreislaufwirtschaft und den Chancen, die sich daraus für uns ergeben. Es gilt hier, nicht nur die legalen Rahmenbedingungen zu erfüllen (Stichwort PPWR), sondern auch darum, innovative Geschäftsmodelle mit einem neuen Kooperationsverständnis entlang der Wertschöpfungskette aufzubauen. Damit wollen wir das traditionell lineare Modell durch ein zirkuläres ersetzen, indem Abfall zu einem Wertstoff wird – und somit der Kreis geschlossen wird. 

Die PPWR beschäftigt die Branche weiterhin. Wie ist Ihre Meinung zu der Einigung?

Wir sind sehr froh darüber, dass es in Bälde klare Regeln für alle gibt. Das gibt Planungssicherheit und ermöglicht, gezielt in bestimmte Technologien zu investieren. Leider gibt es über die PPWR hinaus noch etliche andere Regulatorien in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, die weder klar noch in der Ausführung durchdacht sind (Stichwort Anti Littering Regulation in Deutschland). Hier würde ich mir wünschen, dass die durchaus sinnvollen Ziele für die Umsetzung näher an der Praxis geregelt werden. Andernfalls wird Europa seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Sie selbst haben in verschiedenen Ländern Europas gelebt. Wie einig sollten die Verpackungssysteme in der EU sein?

Wenn wir wirklich etwas bewirken wollen, dann benötigen wir dringend einheitliche Regeln und Standards – zumindest in allen EU-Mitgliedsstaaten. Der derzeitige Wildwuchs an Regularien führt vor allem bei den Konsumentinnen und Konsumenten zu Verwirrung. Letztendlich sind sie es aber, die durch den Kauf entscheiden, ob sie auf nachhaltige Verpackung setzen oder nicht – egal, aus welchem Land das Produkt kommt. All die Gesetze für alle Länder zu erfüllen, hat schon eine immense Komplexität für die produzierende Industrie gebracht – ohne ersichtlichen Mehrwert. Es ist nicht leicht verständlich, warum für eine Joghurtverpackung in Deutschland andere Regeln gelten als zum Beispiel in Italien.

Die Verpackungen verändern sich stetig, der Verbraucher kann das täglich im Supermarkt erleben. Doch nicht jede Veränderung im Sinne der Nachhaltigkeit ist praktikabel, oder?

Das sehe ich nicht so. Neben der Nachhaltigkeit der Verpackung steht auch immer der Endverbraucher und sein Nutzungsverhalten im Fokus. Ich würde eher sagen, dass es wichtig wäre, nachhaltige Lösungen und die dafür notwendigen Investitionen durch Subventionen und Steuern zu incentivieren, damit der Konsument sich nicht aufgrund des günstigeren Preises am Ende doch wieder für eine weniger nachhaltige Verpackung entscheidet. 

Sie haben sich schon zu Ihrer Zeit bei Mondi für die Förderung von Frauen engagiert und sogar eine eigene Abteilung für Diversität aufgebaut. Welche Rolle übernehmen Sie bei Greiner in dieser Richtung?

Ich glaube aus tiefsten Herzen daran, dass wir eine Gesellschaft anstreben müssen, in der Chancengleichheit und Inklusion der Normalzustand sind und Unternehmen, die dies schaffen erfolgreicher sind. Das passiert nicht von selbst und gerade im DACH-Raum haben wir noch einen weiten Weg vor uns. So gesehen, werde ich mich auch bei Greiner weiterhin für mehr Internationalität, Geschlechter-Balance und eine wertschätzende Kultur einsetzen. Mir ist es wichtig, dass Vielfalt als Chance gesehen wird und wir Menschen ein Umfeld bieten, in dem sie sich ohne Einschränkung durch Vorurteile einbringen können. Die bereits vorhanden wertschätzende Kultur bei Greiner ist da eine sehr gute Ausgangsbasis.

Wie gleichberechtigt sind Frauen in der Verpackungsbranche?

Gleichberechtigung ist meines Erachtens nicht das Problem, denn ich würde sagen, diese gibt es schon fast überall. Es geht mehr um Chancengleichheit und die unterschiedlichen Ausgangslagen und Bedürfnisse, welche die Menschen mitbringen. Wir leben immer noch in einer Welt, die auf traditionelle Rollenmodelle zugeschnitten ist. Wenn ich Vielfalt fördern will, braucht es auch Vielfalt in den Rahmenbedingungen. Sowohl strukturell – etwa durch flexible Arbeitszeiten –  als auch im Führungsstil. Unterschiedliche Menschen sind unterschiedlich sozialisiert und benötigen daher unterschiedliche Fördermaßnahmen, um sich weiterzuentwickeln.

Was könnte noch mehr getan werden?

Ich bin eine Verfechterin davon, sich strategische Ziele zu setzen und diese dann konsequent zu verfolgen. Jedes Unternehmen sollte sich überlegen, welche Diversitätsaspekte fehlen und wo beziehungsweise wie sie daran arbeiten können. Es ist ein langer Weg der vielen Schritte. Es gilt auch, den derzeitigen Führungskräften entsprechende Unterstützung zu geben. Intellektuell versteht ja jeder, wo wir uns hin entwickeln müssen. Meist stehen aber Ängste oder mangelndes Wissen hinsichtlich der nötigen Maßnahmen einer Umsetzung im Weg. Es braucht noch mehr Männer wie Frauen, die mit Leidenschaft etwas verändern wollen, sowie Erfolgsgeschichten, die zeigen, wie es geht und etwas Geduld.

Zur Person

Beatrix Praeceptor (57) ist seit einem Jahr Chief Executive Officer bei Greiner Packaging International GmbH. Zuvor war sie zwölf Jahre lang Chief Procurement Officer bei Mondi. Den Beginn ihrer beruflichen Karriere startete die in Kanada und in Italien aufgewachsene, gebürtige Wienerin 1990 bei Philipps als Werkseinkäuferin. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit engagiert sich die Mutter dreier Kinder als Beiratsmitglied bei Teach For Austria sowie als Mentorin für Frauen.