„Viele Guidelines lassen Interpretationsspielraum“
Die Menge der Recyclingregularien und Vorgaben für das Material der Verpackungen weisen in den einzelnen Ländern zum Teil erhebliche Unterschiede auf. Das Start-up Recyda hat eine Software entwickelt, die den Unternehmen einen Überblick bietet. Mitgründerin Vivian Loftin berichtet über die Geschäftsidee, ihre Umsetzung und die Herausforderungen.
Sie waren auf der FACHPACK 2024. Welche Bilanz ziehen Sie von der Messe?
Wir hatten vorher überlegt, machen wir es wirklich oder nicht. Ich bin sehr froh, dass wir dort waren. Es war sehr, sehr positiv. Wir konnten viele neue Kontakte knüpfen und haben viele Bekannte wieder getroffen. Die Gespräche waren sehr zielführend und inhaltsvoll, das fand ich sehr gut.
Brauchen die Verpackungshersteller Sie? Die kennen doch die Bestimmungen in den einzelnen Ländern?
Sie benötigen auch immer die Updates aus den verschiedenen Ländern. In der kombinierten Form als Überblick für die einzelnen Länder haben sie die nicht. Dazu kommt das Thema der Ökomodulation der Lizenzgelder, da die nachhaltigeren Verpackungslösungen in vielen Fällen höhere Kosten im Eingang haben. Wenn sie aber recyclingfähiger sind, dann können sie auch weniger in der Entsorgung kosten, das heißt sie können das wunderbar nutzen, um Business Cases zu rechnen. Das ist aber auch ein Thema, das sehr, sehr neu ist in der Industrie. Die Unternehmen können sich die Daten natürlich auch selbst zusammensuchen und ausrechnen. Aber unser Ziel ist es, ihnen alle diese Daten übergreifend und schnell zur Verfügung zu stellen.
Sie haben zum richtigen Moment eine Angebotslücke gefunden und sie gefüllt?
Wir hatten das richtige Timing. Wir sind als Unternehmen viereinhalb Jahre alt, sind gestartet, bevor der Green Deal kam und seitdem hat das Thema Recyclingfähigkeit eigentlich nur noch an Relevanz gewonnen statt abzunehmen, was natürlich sehr positiv für uns ist.
Wo sehen Sie sich heute?
Wir haben knapp 30 Mitarbeiter, Softwareentwickler, aber auch Spezialisten aus der Verpackungsbranche. Die Mischung ist sehr, sehr cool. Das hilft uns auch heute noch, um wirklich den Kern zu treffen und nicht eine Software zu entwickeln, die hinterher gar nicht nutzbar ist oder der Komplexität der Verpackungsbranche nicht gerecht wird. Wir haben mittlerweile über eine Million Verpackungen durchlaufen lassen. Da muss man technisch auch wissen, wie man so etwas skalierbar aufbauen kann. Und natürlich muss es auch von der Businesseite her passen, denn nur dann können wir auch den Impact erreichen, den wir erreichen wollen.
Nochmal zum Team. Sie haben eine Mischung der Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Branchen, aber auch rund ein Drittel Frauen. Ihre Mitgründer sind eine Frau und ein Mann. Wo stehen Frauen nach Ihrer Einschätzung heutzutage in der Verpackungsindustrie?
Es ist immer noch eine Männerdomäne, nach einer groben Einschätzung vielleicht 70 zu 30. Aber ich hatte nie ein Problem damit und nie das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Es ist eine angenehme und familiäre Branche. Es gibt inzwischen immer mehr Frauen in Führungspositionen und viele Frauen, die Ideen entwickeln und Themen voranbringen.
Ihr Team beschäftigt sich mit den Bedingungen und Regularien aus diversen Ländern. Suche und Zusammenstellung ist wahrscheinlich keine einfache Sache.
Wir müssen tagtäglich daran arbeiten und updaten. Ein Teil ist proaktiv, wir haben technische Mittel für ein effizientes Vorgehen entwickelt. Und dann haben wir uns ein Netzwerk aufgebaut. Das hilft uns natürlich sehr, es gibt Initiativen, mit denen wir von Anfang an zusammenarbeiten. Einige von ihnen haben uns sehr viele Kontakte vorgestellt, die wir dann auch für uns weiterbilden konnten. Wir merken aber, dass es auch über unsere Kunden geht. Also das ist tatsächlich auch sehr gut, weil es nicht das deutsche Start-up ist, das da anklopft, sondern auch ein paar Namen, die uns den Status geben, dass wir das gut umsetzen. Das hat sich über die Jahre aufgebaut.
Wie weit ist denn hier die Digitalisierung?
Es gibt Daten, die sind unglaublich schwer zu finden. Es ist immer wieder so, dass die Schwierigkeit darin besteht, dass viele der Guidelines, die wir umsetzen müssen, auch Interpretationsspielraum lassen. Weil die natürlich nicht digital gedacht sind, sondern in PDF-Dateien Regeln vorgeben, was Unverträglichkeiten angeht, wie man das kategorisieren kann und was als recyclingfähig gilt. Und das ist ganz spannend, weil wir dann oft in der Implementierung sehr genau sagen müssen, was ist beispielsweise denn jetzt mit dem Gewicht der Farbe oder was ist die Wasserlöslichkeit des Klebers? Also es muss wirklich jeder Fall bedacht werden. Das ist in den Regeln oft nicht klar. Wir stecken dann viel Arbeit rein, uns mit den Organisationen zusammenzusetzen und denen unsere Fragen zu verdeutlichen. Oft können die sie auch gar nicht selbst beantworten, weil sie gewisse Fragen gar nicht bedacht haben. Dann entwickeln wir das auch gemeinsam weiter. Das kostet natürlich Zeit, aber so bringen wir es auch voran.
Hintergrund: Recyda, der Name steht für Recyclability Database, ist ein Start-up, das Vivian Loftin, Christian Knobloch und Anna Zießow 2019 gegründet haben. Mit einer Software ermöglichen sie einen Vergleich der Recyclingfähigkeit von Verpackungen aus mittlerweile mehr als 20 Ländern. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Freiburg und beschäftigt rund 30 Mitarbeiter.