Allein im Modeonlinehandel werden in Deutschland im Durchschnitt 64 Prozent aller Bestellungen zurückgeschickt, was jährlich zu 440 Millionen Rücksendungen führt. Retouren müssen in Logistikzentren transportiert, manuell aufbereitet und neu verpackt werden. Das Hamburger Start-up toern präsentiert eine nachhaltige Alternative, um überflüssige Logistik und Paketsendungen zu vermeiden. toern hat eine Software-as-a-Service-Lösung (SaaS) entwickelt, die es Onlinehändlern ermöglicht, Rücksendungen von einem Kunden direkt an den nächsten weiterzuleiten.
Dadurch sollen Händler nicht nur bis zu 30 Prozent der Transport-, Verpackungs- und Prozesskosten sparen, sondern auch die Warenverfügbarkeit in ihrem Shop steigern können. Denn die Retoure wird, noch während sie beim Kunden zu Hause liegt, direkt wieder in den Warenbestand integriert und ist damit für den Abverkauf verfügbar. Im Onlineshop haben Kunden dann die Möglichkeit, sich per Mausklick bewusst für die preisreduzierte und nachhaltige „Re-toern“-Produktvariante zu entscheiden. Der jeweilige Händler – und nicht das Start-up – bestimmt selbst, wie hoch der Preisnachlass für den Kauf einer Retourenware ist.
Im Fall eines Kaufs sendet der retournierende Kunde den Artikel direkt an den nächsten Käufer, ohne Umwege über das Lager. Der gesamte Wiederverkaufsprozess läuft automatisiert ab, erklärt Alena Schneck, die gemeinsam mit Jonas Zeuner das Start-up gegründet hat. Sie ist als CEO für Vertrieb und Marketing, Finanzen und HR-Management zuständig.
Onlinehändler mailt Etikett fürs Retourenpaket
Das System sei für alle Beteiligten einfach: Kunden, die ihre bestellte Ware nicht behalten möchten, melden dies dem Onlinehändler und bekommen dann ein Label per E-Mail zugesendet, um damit das Paket im Paketshop zurückzugeben – so wie bei den bisher üblichen Retouren. Ob die Kundin aufgrund des Labels erfährt, wer als nächstes die bestellte Bluse erhält, hängt vom Shop und Dienstleister ab, erklärt Schneck. Darauf habe das Start-up keinen Einfluss. „Ich kann nur sicher sagen, dass datenschutzrechtlich alles konform ist, denn das Verfahren ist transparent“, betont die 31-Jährige. Und in der Regel stehe auf dem Label nur ein QR-Code und nicht der Name des Paketempfängers.
Doch nicht alle Retouren eignen sich dazu, direkt wieder in den Warenkreislauf zu gelangen. Ob ein digital angemeldeter Retourenartikel tatsächlich neuen Kunden als Kaufoption angeboten wird oder doch zurück ins Lager geht, entscheidet das KI-gestützte System von toern.
Bisher nennt das Unternehmen zwei Onlineshops – Sorbas Shoes und Gooden – die Re-toern nutzen. Große Marken wie Tchibo, Otto und Avocadostore unterstützen das Start-up und beobachten die Entwicklung, erklärt Schneck. „Wir konnten beweisen, dass die Nachfrage nach Retourenprodukten groß ist. Nun geht es darum, weiteren Shops einen Mehrwert anzubieten.“ Daher sei sie zuversichtlich, dass sich das Unternehmen schnell weiterentwickeln werde. „Wir sind besonders stolz darauf, dass unsere Lösung pro Retourenweg 1,8 Kilogramm CO2-Emissionen einspart und dafür sorgt, dass weniger Retouren im Müll landen“, so die Unternehmensgründerin.
Was ist, wenn auch der zweite Kunde das bestellte Produkt nicht behalten will? „Dieser Fall kam bisher noch nicht vor“, lacht Schneck. Aber theoretisch sei dies möglich. Dann gehe die Ware wieder zurück zum Händler, also ins Lager.
Erfahrungen in der Textilbranche
Zu den Gründern: die Gründer von toern, Alena Schneck und Jonas Zeuner, bringen umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen Mode, E-Commerce, Produktentwicklung und Business Development mit. Mit einem B.A. in Textilmanagement und einem MBA der WHU verfügt Alena Schneck über langjährige Branchenerfahrung im Vertrieb und Marketing bei Modeunternehmen wie Tom Tailor, Sanetta und Marc Cain. Zuletzt spielte sie eine entscheidende Rolle beim Aufbau des Lieferdienstes Flink und leitete die Operations im Norden Deutschlands.
Jonas Zeuner ist als CTO für die Entwicklung des Produktes und der Software bei toern verantwortlich. Er hat einen B.Sc. in Informatik und einen Master in E-Commerce. Seine Expertise in Design, Engineering und Quality Management stammt aus seiner Tätigkeit bei Siemens eAircraft. Des Weiteren hat er bei Fashion Cloud, einem Fashion-Tech-Start-up, die Qualität und Integrität von Produktdaten sichergestellt und Datenstandarderweiterungen betreut. „Uns beiden war während unserer bisherigen Tätigkeiten die Thematik der Retouren sehr bewusst und dass es einen Bedarf gibt, eine nachhaltigere und effizientere Option zum derzeitigen Prozess zu finden“, sagt Alena Schneck.