Smartes Recycling: Wie künstliche Intelligenz die Qualität verbessert
Jeder Deutsche produziert jährlich etwa 38 Kilogramm Verpackungsmüll aus Kunststoff. Doch nur knapp die Hälfte davon wird recycelt. Das ist ein Problem, sagt Professor Marek Hauptmann, Experte für Verpackungs- und Verarbeitungstechnologien am Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Dresden.
In den Innovationslaboren KIOptiPack und K3ICycling kooperiert das IVV mit 50 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. „Ziel ist es, das Recycling und die Verarbeitungsstrecke mit den Methoden der künstlichen Intelligenz übergreifend zu optimieren“, sagt Professor Marek Hauptmann. Die Forschung berücksichtigt alle Phasen – von der Sortierung über die Produktion von Folien mit Rezyklatanteil bis hin zur fertigen Verpackung.
Los geht es in den Sortieranlagen. Dort arbeiten mittlerweile intelligente Systeme mit Kameras und Sensoren. Die smarten Maschinenaugen erkennen nicht nur Kunststoff, Papier und Metall, sondern sie unterscheiden auch zwischen verschiedenen Kunststoffsorten, trennen flexible von formstabilen Verpackungen und sortieren in Zukunft eventuell auch nach ganz neuen Kriterien. Ein komplexer Vorgang, wenn man bedenkt, dass die einzelnen Konsumartikel selten so im Müll enden, wie sie im Ladenregal standen. Oft sind sie zerquetscht, zerknittert oder zerrissen.
Ausgangspunk des aktuellen Forschungsprojektes ist das bunte Sammelsurium an Haushaltsabfällen, die im Gelben Sack landen – eine maximale Mischung von Polymerfraktionen aus unterschiedlichen Artikeln. Das Spektrum reicht von Reistüten, Kartoffelsäcken, Salathüllen bis hin zu Waschmittelflaschen und Tablettenblistern. „Diese Mischung bereitet große Schwierigkeiten“, betont Hauptmann. Denn in jeder Verpackung könnten Produktrückstände stecken, aber auch Füllstoffe, Pigmente und Druckfarben, die bei der Kunststoff- und Verpackungsherstellung verwendet wurden – alles Verunreinigungen, die die Qualität des Recyclingrohstoffes mindern. „Diese Daten wollen wir sammeln. Wir müssen wissen, aus welcher Sortierfraktion, aus welchem Kunststoffstrom und welcher Anwendung, welche Kontaminanten, Additive und sonstige Störstoffe in welcher Höhe stammen“, so Hauptmann.
Künstliche Intelligenz für bessere Rezyklate?
Die Herausforderung für Verpackungen mit Rezyklatanteil bestehe darin, preislich und in ihren Eigenschaften mit Neuware mithalten zu können. Außerdem erschwerten die hohen Sicherheitsanforderungen, die für die Verpackung von Lebensmitteln, Kosmetika und Tiernahrung gelten, hier ihren Einsatz. Das Forschungskonsortium wolle daher prüfen, inwieweit sich die Qualität der Kunststoff-Rezyklate mithilfe Künstlicher Intelligenz steigern lässt.
Wichtigste Bedingung: gutes Datenmaterial, mit dem KI-basierte Modelle gefüttert werden können. Ein Beispiel: wenn für die Produktion eines Bechers aus Thermoformfolie über bekannte Werte wie Zugfestigkeit, Biegesteifigkeit oder Reißfestigkeit hinaus die polymeren Rohdaten und spezifischen Fließeigenschaften sowie eventuell auch Störstoffe des Rezyklats zur Verfügung stünden, lasse sich eine Verpackungsmaschine entsprechend besser und schneller einstellen und arbeite auch bei Schwankungen störungsarm. „Das ist jedoch nur möglich, wenn wir die Daten bereits beim Regranulat anfangen zu erfassen“, sagt Hauptmann. Bisher seien die Verbindung der Marktteilnehmer und der Fluss dieser Daten über die Torgrenzen der Firmen hinweg aber nicht flächendeckend gegeben. Es bestünden nachvollziehbare Bedenken, sensible Daten zur Verfügung zu stellen.
Mit der Nutzung der europäischen Plattform Gaia-X wird darauf verzichtet, Daten auf Fremdressourcen abzulegen. Dies ist ein neuer Weg im Datenmanagement, der spezifischere Datenflüsse bewirkt. Die Daten müssen anderen Marktteilnehmern nicht in einem auswertbaren Format zur Verfügung stehen. Jeder behält seine auf dem eigenen Server. Ein Modell, das mit den Methoden der künstlichen Intelligenz arbeiten kann, erhält Zugriffsrechte und gibt nur das Ergebnis weiter. Dies nützt einem anderen Teilnehmer der Wertschöpfungskette, weil beispielsweise Verarbeitungstemperaturen, -zeiten und andere Kenngrößen vorhergesagt werden können.
Für Hauptmann liegt die Zukunft in einem möglichst geschlossenen Stoffkreislauf. Denn ganz ohne Kunststoff gehe es derzeit nicht, weil aktuell vor allem dieser eine gezielte Haltbarkeit von Lebensmitteln und anderen Produkten garantiere.