DNA-reaktive Mutagene: Wie sicher sind recycelte Kunststoffe?
15.08.2024 Insights Artikel

DNA-reaktive Mutagene: Wie sicher sind recycelte Kunststoffe?

„Sicher und nachhaltig?“ Diese Frage stellt sich, wenn Dr. Elisabeth Pinter vom renommierten Österreichischen Forschungsinstitut (Ofi) am zweiten Tag der FACHPACK im Expertenforum PACKBOX über die Bewertung von Verpackungsmaterialien mit Schwerpunkt auf Rezyklaten spricht. Fest steht: Bis 2030 müssen alle Verpackungen in der EU recycelbar sein.

Gastbeitrag von Matthias Mahr

Dr. Elisabeth Pinter vom Österreichischen Forschungsinstitut (Ofi) Wie es um die Zukunft von Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol in sensiblen Anwendungen steht, berichtet Dr. Elisabeth Pinter auf der FACHPACK.

Die Ziele der europäischen Kreislaufwirtschaft erfordern den Einsatz recycelter Polymere – auch in sensiblen Bereichen wie der Lebensmittelverpackung. Genau deshalb rücken Kunststoffe für Lebensmittelverpackungen immer stärker in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Das Ofi, der FH Campus Wien und Fraunhofer waren federführend bei der Studie zur „Sicherheitsbewertung von recycelten Kunststoffen aus Post-Verbraucher-Abfällen mittels einer Kombination aus einem miniaturisierten Ames-Test und chromatografischer Analyse“.

Der Einsatz von Rezyklaten in Lebensmittelverpackungen ist bisher nur eingeschränkt möglich. Strenge Vorgaben müssen eingehalten werden – aus gutem Grund: Wiederverwertete Kunststoffe können Verunreinigungen enthalten, die aus früherem Gebrauch stammen und potenziell gesundheitsschädlich sein können. Der Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der Verbraucher haben höchste Priorität. Deshalb beschränken die EU-Regularien den Einsatz von Rezyklaten – um sicherzustellen, dass keine gefährlichen Substanzen auf Lebensmittel übergehen. Das ist technologisch herausfordernd: Viele Verpackungen bestehen aus Mehrschichtverbunden, die zwar optimal schützen, aber schwer zu recyceln sind. Hinzu kommt die Gefahr, dass unerwünschte Gerüche oder Geschmacksstoffe aus recyceltem Material auf Lebensmittel übergehen.

Da Rezyklate unbekannte Substanzen enthalten können, bewertet die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Recyclingprozesse anhand des Worst-Case-Szenarios: Jede Verunreinigung wird als DNA-reaktives Mutagen oder Karzinogen mit extrem niedrigen Sicherheitsgrenzen betrachtet. In der oben genannten Studie wurden 119 Proben von Kunststoffrecyclingmaterialien mit einem miniaturisierten Ames-Test untersucht, um wissenschaftliche Beweise für das Vorhandensein solcher Stoffe zu liefern.

 

Studienergebnis: Mutagene Effekte bei recycelten Kunststoffen

Die Ergebnisse der Studie, präsentiert im Herbst 2023, sorgten für Aufsehen: In recyceltem Polyethylenterephthalat (PET), das bereits für den Lebensmittelkontakt zugelassen ist, wurden keine DNA-reaktiven Mutagene gefunden. Eine positive und erwartbare Nachricht, weil es hier im Flaschenbereich funktionierende Kreislaufsysteme gibt und PET zu den „lebensmittelechten Kunststoffen“ zählt. Diese beeinflussen die verpackten Lebensmittel nicht, da sich aus den Polymeren keine Stoffe, die an die Lebensmittel abgegeben werden könnten, herauslösen. Jedoch: Andere recycelte Kunststoffe (Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol), die aktuell nicht für Lebensmittelkontakt zugelassen sind, zeigten in 51 Proben mutagene Effekte.

Die Wissenschaftler schlussfolgerten aus den Ames-Testdaten und dem Vergleich von Ein- und Ausgangsmaterialien, dass die DNA-reaktiven Verunreinigungen nicht zufällig durch missbräuchliche Nutzung durch Verbraucher entstehen, sondern systematisch während des Recyclingprozesses. Wie es um die Zukunft von Polyethylen, Polypropylen und Polystyrol in sensiblen Anwendungen steht, berichtet Elisabeth Pinter auf der FACHPACK. Das Thema bewegt die gesamte Verpackungsbranche - und die Zeit bis 2030 wird bereits jetzt knapp.