Tchibo strafft die Logistikstruktur für den E-Commerce
22.04.2024 Retail Brands Industry Look into Europe Artikel

Tchibo strafft die Logistikstruktur für den E-Commerce

Der Hamburger Kaffeeröster Tchibo reduziert Kosten und Komplexität in der Logistik. Online-Bestellungen wickelt das Unternehmen, das auch Non-Food-Waren verkauft, nun schneller und konsolidiert in Tschechien ab.

Kafeepadmaschine steht auf einem Esstisch mit junger Frau im Hintergrund. Tchibo röstet nicht nur Kaffee, sondern verkauft auch vorrangig online Non-Food-Artikel, wie die neue Padmaschine „Call me Pad“.

Tchibo hat das Ziel, ab 2027 nur noch verantwortungsvoll eingekaufte Kaffees anzubieten. Der Kaffeeröster ist aber auch Nonfood-Spezialist und erfolgreicher Onlinehändler. In dieser Funktion will das Hamburger Unternehmen seine Supply Chain effizienter machen. Tchibo steckt daher inmitten eines Netzwerkumbaus und hat in diesem Zuge bereits die B2B- und B2C-Lieferströme voneinander getrennt.

Das E-Commerce-Fulfillment konsolidiert der Hamburger Konzern nun im tschechischen Cheb, berichtet die Lebensmittelzeitung. In dem von DHL betriebenen Standort bündelt er die Retourenströme und verknüpft sie direkt mit dem Vorwärtsprozess. Das bedeutet: Retournierte, gefragte Artikel können schneller wieder in den Verkauf gelangen. Dabei setzt Tchibo auf das Ware-zur-Person-Prinzip und verknüpft ein Taschensorter-System mit einer Multishuttle-Kartonanlage von Dematic, dem Palettenlager sowie Fördertechnik. Der Standort wurde im laufenden Betrieb umgebaut.

E-Commerce fit für die Zukunft

„Wir wollten Komplexitätstreiber näher beleuchten und hinterfragen, ob wir in der Logistik richtig aufgestellt und fit für die Zukunft sind“, sagte Tchibo-Logistikchef Jan Schneider auf dem Handelslogistik-Kongress. „Wir haben strategisch weitreichende Entscheidungen getroffen und sie in den vergangenen drei Jahren Stück für Stück umgesetzt.“ Das E-Commerce-Lager wird nun direkt vom Warenzulauf angesteuert, die zentrale Vorratslagerhaltung ist Geschichte.

Das Lager in Gallin hat Tchibo geschlossen und die anderen Standorte Bremen, Minden und Neumarkt hinsichtlich Fläche, Durchsatz und Operationslevel ausgebaut. Es sollen neue Technologien und mehr Automatisierung zum Einsatz kommen. „Wir können heute schon sagen, dass wir deutlich weniger Warentourismus in unserem Netzwerk haben“, so Schneider. Denselben Karton müssten die Mitarbeiter jetzt weniger oft anfassen. Die Optimierungen sind damit nicht abgeschlossen.

In Zukunft will Tchibo Künstliche Intelligenz für einen besseren Sortiermix von Kleinstmengen nutzen, die in Mischbehältern gelagert werden. Auch steht der Rollout des Transport-Management-Systems des Anbieters SAP an. Die Hälfte des Implementierungsweges sei das Unternehmen bereits gegangen, so Schneider. „Wir bringen sämtliche Transportprozesse von der Seefracht bis zur letzten Meile und zwischendurch den Fernverkauf auf Schiene und Straße in einem System unter“, sagt der Manager. Das schaffe Transparenz und eine hohe Genauigkeit bei Mengen- und Zeitangaben.

In acht Ländern betreibt Tchibo rund 900 Shops, über 24.200 Depots im Einzelhandel sowie nationale Online-Shops. Über dieses Multichannel-Vertriebssystem bietet das Unternehmen neben Kaffee wöchentlich wechselnden Non-Food-Sortimente und Dienstleistungen, wie Mobilfunk, an.

Tchibo hat jüngst auf höhere Weltmarktpreise und steigende Kosten reagiert und die Preise für Röstkaffee erhöht. Zum 15. April sollen die Preise je nach Sorte und Herkunftsland zwischen 50 Cent und 1 Euro pro Pfund erhöht werden, berichtet Food Service. Tchibo berichtet in aller Regel als einziger Anbieter über seine Preisgestaltung und gilt als Signalgeber in der Branche. Denn der Handelskonzern verkauft seine Produkte über eigene Filialen und Depots sowie online unmittelbar an Endverbraucher und kann deshalb auch seine Endpreise festlegen. Andere Kaffeeröster liefern ihre Produkte an den Lebensmitteleinzelhandel, der seinerseits die Endpreise festlegt. In der Branche wird erwartet, dass die Wettbewerber die Preiserhöhungen des Marktführers auch in diesem Jahr genau beobachten und gegebenenfalls nachziehen. Handelsunternehmen äußern sich allerdings ungern zu ihren Verkaufspreisen für Kaffee, und auch die Tchibo-Konkurrenz ist beim Thema Preise schmallippig.