EU-Verpackungsverordnung: Ein Schritt vorwärts oder ein Stolperstein?
Mit der Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle strebt die Europäische Union an, dem wachsenden Problem der Verpackungsabfälle in Europa entgegenzuwirken und die Grundlagen für eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Verbände sehen aber handwerkliche Fehler in den aktuellen Vorschlägen und fordern Nachbesserungen.
Im Jahr 2021 erzeugte jeder Europäer durchschnittlich 190 kg Verpackungsabfälle. Ohne Gegenmaßnahmen könnte diese Zahl bis 2030 um fast 20 % steigen, befürchtet die EU. Im November 2023 präsentierte die Kommission daher einen Entwurf zur Revision der EU-Gesetzgebung bezüglich Verpackungen und Verpackungsabfällen (PPWR). Diese Vorschläge bilden wesentliche Elemente des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft des Europäischen Green Deals und zielen darauf ab, nachhaltige Produkte zum Standard zu erheben. Der Entwurf setzt verbindliche Ziele zur Abfallreduzierung, Wiederverwendung und für den Mindestanteil an recyceltem Material in Kunststoffverpackungen. Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat haben inzwischen ihre Positionen dazu veröffentlicht und zusätzliche Änderungen vorgeschlagen, über die in den anstehenden Trilogverhandlungen bis April 2024 eine Einigung erzielt werden soll.
Kaum ein legislatives Vorhaben hat in den letzten Jahren für so viel Aufmerksamkeit in der Verpackungsindustrie gesorgt. Die Debatte hierzu wird mit großem Engagement geführt, wobei die Branchenverbände erhebliche Mittel in die Lobbyarbeit investiert haben, um ihre Interessen in der endgültigen Gesetzgebung berücksichtigt zu sehen. Zufrieden mit dem Ergebnis zeigten sich aber die wenigsten.
Kunststoffbranche befürchtet Flickenteppich
Es wird erwartet, dass der finale Gesetzestext die Grundpfeiler des Entwurfs beibehalten wird: Alle in Verkehr gebrachten Verpackungen müssen stofflich verwertbar sein. Ferner wird ein Mindestanteil an Rezyklaten für Kunststoffverpackungen eingeführt und sukzessive erhöht. Den Mitgliedstaaten wird dabei in vielen Bereichen ein hoher Grad an Flexibilität eingeräumt.
Diese Flexibilität stößt bei den Interessensvertretern auf erheblichen Widerstand, da sie eine Fragmentierung des europäischen Binnenmarktes und eine Gefährdung des Ziels einer nachhaltigen, europaweiten Verpackungskreislaufführung befürchten. 16 mitgliederstarke Verbände betonten in einer Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung deshalb: „An vielen Stellen wurde die Möglichkeit hinzugefügt, auf nationaler Ebene abweichende Anforderungen für Verpackungen zu schaffen. Im Ergebnis könnten damit Verpackungen, die allen EU-Vorgaben entsprechen, von bestimmten nationalen Märkten ausgeschlossen werden. Die Folgen wären beeinträchtige Lieferketten, Kostensteigerungen und Hemmnisse für effizientes, grenzüberschreitendes Recycling.“ Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, als einer der Unterzeichner der Stellungnahme, kritisierte zudem die zahlreichen Sonderregeln für Kunststoffverpackungen, Ausnahmen für Papier-, Papp- und Kartonverpackungen bei Mehrwegquoten und Verpackungsverboten sowie nationale Ausnahmemöglichkeiten. Nach den Worten des IK-Hauptgeschäftsführers Dr. Martin Engelmann ist der Beschluss „ein Rückschritt für die Kreislaufwirtschaft und führt zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Verpackungsregeln im EU-Binnenmarkt“.
Mangelnde Fairness angemahnt
Viele geplante Maßnahmen zielen darauf ab, Verpackungen bis 2030 vollständig wiederverwertbar zu machen. Dazu gehören die Festlegung von Designkriterien für Verpackungen, die Einführung obligatorischer Pfandsysteme für Kunststoffflaschen und Aluminiumdosen und die Festlegung, welche sehr begrenzten Arten von Verpackungen kompostierbar sein müssen. Es soll auch verbindliche Quoten für den Anteil an recyceltem Material geben, den die Hersteller in neue Kunststoffverpackungen integrieren müssen.
Mit Blick auf diese Ziele betonte der Dachverband der Kunststoff-Recyclingindustrie in Europa (EuRIC) die dringende Notwendigkeit fairer Preise für Kunststoffrezyklate. Die Organisation kritisiert Maßnahmen des Europäischen Parlaments, die Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben könnten, Verpackungsherstellern einen bevorzugten Zugang zu recycelten Materialien zu gewähren, was die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Recyclings bedrohen und die Preise beeinflussen könnte. Die Stellungnahme unterstreicht die Bedeutung eines fairen, nachhaltigen Preises für recycelte Materialien und warnt davor, dass ein bevorzugter Zugang den Markt verzerren und gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen könnte.
Neben der Verringerung des Verpackungseinsatzes und einem höheren Rezyklateinsatz liegt ein weiterer Fokus des PPWR auf der Wiederverwendung und Wiederbefüllung von Verpackungen. Um dies zu fordern, sollen Hersteller einen bestimmten Prozentsatz ihrer Produkte in entsprechenden Verpackungen anbieten. Das betrifft z. B. Getränke und Mahlzeiten zum Mitnehmen oder Lieferungen im elektronischen Handel. Es soll auch eine gewisse Standardisierung der Verpackungsformate und eine klare Kennzeichnung von Mehrwegverpackungen geben – mit bestimmten Ausnahmen, beispielsweise Wein. Hierüber zeigen sich die europäischen Brauer empört und wittern Diskriminierung. Der Brauereisektor ist insbesondere besorgt über eine künftige EU-Verordnung, die verbindliche Wiederverwendungsziele und Recyclingverpflichtungen für Bier vorschreiben könnte, während andere, konkurrierende alkoholische Getränke von diesen Anforderungen ausgenommen werden. „Es gibt keinen Grund dafür, dass für Bier Zielvorgaben für die Wiederverwendung und Pfandsystemvorschriften gelten, während andere Sektoren wie Wein und Spirituosen davon ausgenommen sind.“
Die Europäische Union steht vor einer entscheidenden Phase in der Umsetzung ihrer umwelt- und wirtschaftspolitischen Ziele mit der Überarbeitung der Gesetzgebung zu Verpackungen und Verpackungsabfällen. Die anstehenden Verhandlungen bieten eine Gelegenheit, einen Konsens zu finden, der sowohl den Umweltschutz als auch die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigt.