Verpackungsbranche im Wandel: Eine Mammutaufgabe
Matthias Giebel ist schon seit vielen Jahren als Berater in der Verpackungsbranche aktiv. Als Partner für Nachhaltigkeit und Innovation bei B+P weiß er, wo gerade noch Beratungsbedarf besteht.
Berndt+Partner hat sich als führende Unternehmensberatung in der Verpackungsbranche und des Maschinenbaus einen Namen gemacht. „Unser Ansatz ist es, die Industrie mit dem großen Blick über die gesamte Branche zu unterstützen, um Nachhaltigkeit und Innovationen als Erfolgsfaktoren für das eigene Unternehmen zu realisieren“, beschreibt Matthias Giebel seine Aufgabe. Die Experten werfen einen Blick auf den Ist-Zustand der Kunden und helfen ihnen beim nächsten großen Schritt – und das ist im Moment unbestreitbar das Thema Nachhaltigkeit.
Die Branche ist auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit trotz einiger wichtiger Meilensteine in der Vergangenheit nicht immer konsequent gewesen. „Anfang der 1990er-Jahre gab es mit dem damaligen Umweltminister Dr. Töpfer schon die erste Diskussion. Verpackungsmüll war damals das erste Mal auf der Agenda. Mit der Einführung der dualen Systeme ist das Thema dann wieder von der Agenda verschwunden“, erinnert sich der Verpackungsexperte. Auch um die Klimadiskussionen und den Carbon-Footprint von Verpackungen, die 2008 und 2009 aufkamen, sei es schnell wieder still geworden.
„Jetzt befinden wir uns in der dritten Welle: Wir haben den aktuellen Berichten zufolge nur noch wenige Jahre Zeit, um den Temperaturanstieg auf 1,5-Grad zu begrenzen. Allen ist mittlerweile bewusst geworden, wie wichtig Klimaschutz ist. Hinzu kommt die Verschmutzung der Weltmeere. Beide Aspekte führen dazu, dass die Konsumenten sehr viel kritischer auf die Verpackung schauen – insbesondere auf Kunststoffverpackungen“, weiß Matthias Giebel. Dies habe aber dazu geführt, dass bei den Herstellern nun auch wirklich die Bereitschaft vorhanden sei, für nachhaltigere Lösungen auch mehr Geld zu investieren. „Wir sehen ganz stark, dass sich die Markenartikler auf diesen Weg begeben haben“.
Klimafreundlichkeit und Kreislaufwirtschaft im Fokus
Wie Matthias Giebel beobachtet, verfolgen die Unternehmen dabei vor allem zwei Strategien: Zum einen geht es darum, die Verpackungen klimafreundlicher zu gestalten. Zum anderen sollen fossile Kunststoffe in den Verpackungen reduziert werden. „Das kann zwar manchmal widersprüchlich sein, aber es geht um eine systemische Transformation“, erklärt Matthias Giebel. So sei im Einzelfall Mehrweg mit Blick auf die Nachhaltigkeit manchmal schlechter als Einweg. „Wenn man die Situation aber systemisch betrachtet und analysiert, was passiert, wenn relevante Mengen des Marktes auf Mehrweg umgestellt werden, wandelt sich das Bild“. Gleiches gilt nach seinen Worten auch für den Vergleich zwischen faserbasierten Rohstoffen und Kunststoffen, für die es natürlich auch im Einzelfall unterschiedliche ökologische Vorteilhaftigkeiten gäbe. Hier gilt es allerdings auch zu berücksichtigen, dass es schon in Europa nicht überall die gleichen Verwertungsmöglichkeiten gäbe und erst Recht nicht im Rest der Welt.
Ein weiteres wichtiges Standbein der Transformation ist nach Meinung des Verpackungsberaters die Realisierung der Kreislaufwirtschaft. Hier hätten die Großen zwar schon einen Vorsprung, aber der Mittelstand ziehe nun nach: „Wir beobachten einen Innovationswettbewerb um bessere und neue Lösungen“. Handlungsbedarf bestehe aber noch beim Einsatz von Recyclaten – gerade was die Foodgrade-Qualitäten angeht – also Verpackungen, die für den Lebensmittelkontakt zugelassen sind -, hapert es nach Auffassung von Giebel noch.
Die Transformation ist eine Mammutaufgabe
Um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden, müssen Markenartikler ihre gesamte Organisation auf das Thema Nachhaltigkeit ausrichten – und dazu gehört auch die Verpackungsentwicklung. Die Verpackungsabteilungen in den Unternehmen haben gerade also alle Hände voll zu tun. Denn die Umstellung auf nachhaltigere Materialien ist nicht einfach und erfordert sehr viel Entwicklungsaufwand. „Das ist eine riesige Aufgabe. Hier sind die Markenartikler stark auf die Unterstützung der Verpackungshersteller angewiesen“, beschreibt Matthias Giebel die Situation. Gerade mit Blick auf die Transformation sei es vielleicht noch einfach, eine einzelne Produktlinie auf eine andere Verpackung umzustellen. Aber das für viele gleichzeitig zu machen sei eine enorme Herausforderung.
Außerdem beobachtet der Verpackungsexperte, dass viele Mittelständler im Moment noch den regulatorischen Druck unterschätzen. So würden mit dem Green Deal eine große Menge an Gesetzesvorhaben auf die Hersteller zukommen. Nach den Plänen der Europäischen Kommission soll die EU durch verschiedene Maßnahmen bis 2050 dadurch klimaneutral werden. „Der Mittelstand kann oft noch gar nicht genau beurteilen, welche Konsequenzen einzelne Vorgaben für ihr Unternehmen haben – gerade weil die Verpackungsindustrie im Fokus des Green Deals steht.“
CO2-Emissionen als Maßstab
Der Green Deal der EU setzt nach den Worten von Matthias Giebel wichtige Impulse. Markenartikel hätten nun verstanden, dass Handlungsbedarf besteht. „Allen ist klar, dass das Thema kein Trend ist, sondern bleiben wird“, so der Berater. „Wir haben aber mit dem Green Deal die Chance, etwas zu erreichen und sind mit Hochdruck in der Transition“. Schon lange hätte es nicht mehr so viele Innovationen auf der Verpackungsebene gegeben wie derzeit.
Die Bewältigung formaler Themen wie Klimastrategie, Carbon Pricing und Plastic Tax erfordern aber viel Know-how in den Unternehmen. „Das Management muss erst einmal geschult werden, damit es nachvollziehen kann, was das eigentlich für das Unternehmen heißt und welche Daten für die Berichterstattung relevant sind“, weiß Giebel.
Sich mit diesen Anforderungen und den Risiken des Klimawandels für die Geschäftsaktivitäten auseinanderzusetzen bringe aber auch entscheidende Vorteile: „Dadurch wird die Branche resilienter gegen andere Einflüsse wie Corona.“
Der eigene CO2-Fußabdruck und in naher Zukunft auch der gesamten Lieferkette wird die Branche in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Dazu gehört auch der Blick auf Dienstreisen, wie Matthias Giebel ergänzt: „Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft weniger reisen werden. Wir werden uns gut überlegen müssen, wie wir reisen und wohin.“ Auch Messen müssten deshalb aus seiner Sicht ihre Berechtigung beweisen: „Wenn Messen, Networking und Konferenzen unter einem Dach stattfinden, steigert das die Relevanz der Veranstaltung erheblich. Das hat mir an der FACHPACK im letzten Jahr sehr gut gefallen.“ Auch auf der FACHPACK 2022 wird Matthias Giebel am 29. September wieder im Forum PACKBOX zu hören sein.