Skandinavien: Verpackungsindustrie baut auf Holz
26.05.2023 Look into Europe Länder-/Marktbericht

Skandinavien: Verpackungsindustrie baut auf Holz

Die skandinavischen Länder sind bekannt dafür, bei Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung Führungsrollen einzunehmen. Gilt das auch für die Verpackung?

Alpapier in Ballen gepresst Skandinavian liefert wichtige Rohstoffe für Papierverpackungen.

Mit Tetra Pak, UPM-Kymmene, Stora Enso, Smurfit Kappa und Huhtamaki haben einige der größten Verpackungshersteller Europas und der Welt ihren Sitz in Skandinavien. Fast allen gemein ist die historische Verwurzelung in der Verwertung von Holzfasern. Kein Wunder, ist doch ein Großteil der Region mit Wäldern bedeckt. Faserbasierte Verpackungen sind deshalb nach wie vor das wichtigste Standbein der Branche in Schweden, Finnland und Norwegen.

 

Blick auf Schweden

Mit mehr als 604.000 Tonnen waren Papierverpackungen im Jahr 2020 die häufigste Verpackungsart in Schweden. Auf Kunststoffverpackungen einschließlich PET-Flaschen entfielen 248.800 Tonnen, auf Glas 233.000 Tonnen, auf Holz 207.800 Tonnen und auf Aluminiumpfanddosen 23.500 Tonnen. Davon wurden rund 60,2 Prozent recycelt. Damit liegt die Recyclingquote unter dem EU-Durchschnitt von 64,3 Prozent. Allerdings unterscheiden sich die Recyclingquoten stark bei einzelnen Materialien. So wurden 94 Prozent der in Schweden in Verkehr gebrachten Glasverpackungen der Wiederverwertung zugeführt. Bei faserbasierten Verpackungen sind es rund 80 Prozent. 

Die Recyclingquoten in diesem Bereich sind vor allem auf die in Schweden geltenden Verpflichtungen zur Herstellerverantwortung zurückzuführen. Sie übertragt die Verantwortung für die Sammlung und Behandlung ihrer Produkte am Ende ihres Lebenszyklus auf die Hersteller. Das bedeutet auch, dass die sie dafür verantwortlich sind, Produkte zu entwickeln, die ressourceneffizienter und recycelbar sind und keine umweltgefährdenden oder schädlichen Stoffe enthalten. Aus diesem Grund verfügt das Land über eines der fortschrittlichsten Sammel- und Recyclingsysteme.

Anfang Juli 2022 hat die Regierung in Stockholm eine neue Verordnung über die Herstellerverantwortung für Verpackungen veröffentlicht. Wenn ausländische Unternehmen ihre Produkte in den schwedischen Geltungsbereich importieren oder ihre Produkte an schwedische Verbraucher verkaufen, gilt die neue Verordnung zur Herstellerverantwortung für Verpackungen auch für sie. Alle Verpackungshersteller sind verpflichtet, sich einer zugelassenen PRO (Producer Responsibility Organization) anzuschließen. Die PROs übernehmen die Verantwortung für die Sammlung, Sortierung und Verwertung der Abfälle der Verpackungshersteller. Bereits seit 2021 müssen sie sich bei der schwedischen Umweltschutzbehörde (Naturvårdsverket) registrieren lassen, was eine jährliche Berichtspflicht an die Behörde beinhaltet.

 

Die finnische Verpackungsbranche

Drei Viertel der Landfläche Finnlands sind bewaldet, weshalb die finnische Holzindustrie langjährige Traditionen der Forstwirtschaft mit Nutzungsmöglichkeiten wie der Verpackungsindustrie verbunden hat. Der Regierungsorganisation Business Finland zufolge machen 69 Prozent des finnischen Verpackungsexportes verschiedenen faserbasierten Materialien aus. Außerdem plant das Land mehrere neue Raffinerien und Fabriken zur Verwertung des nachwachsenden Rohstoffs. Es ist also wenig überraschend, dass Finnland ein bedeutender Produzent für Papier, Pappe und Kartons ist, die für etliche Konsumgüter eingesetzt werden.

Neben der Produktion von Virgin-Material hat sich das Land auch auf das Recycling spezialisiert. Das auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschung und dem öffentlichen Sektor basierende Marktumfeld hat eine engmaschige Infrastruktur an Recyclingverfahren und bio-basierten Lösungen für Zellstoff und Holzfasern aufgebaut. Bei Papier und Pappe hat das Land eine Recyclingquote von 98 Prozent, bei Kunststoffen dagegen nur von 26 Prozent. Insgesamt wurden 68,5 Prozent des Verpackungsabfalls recycelt.

Trotz der politisch gewollten Marschrichtung weg von Kunststoffen, haben diese dennoch einen wichtigen Platz in der finnischen Verpackungsindustrie: Analysten erwarten, dass die Einfuhren von Kunststoffverpackungen in Finnland bis 2026 einen Wert von 236 Millionen Euro erreichen werden, was einem Anstieg von 0,9 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021 entspricht (225 Millionen Euro). Die Exporte finnischer Kunststoffverpackungen werden den Prognosen zufolge von 2021 bis 2026 stabil bei rund 73 Millionen Euro bleiben. Der Umsatz mit Kunststoffverpackungen wird den Prognosen zufolge bis 2026 um 0,8 Prozent im Vergleich zu 2021 schrumpfen und einen Wert von 334 Millionen Euro aufweisen (2021: 352 Millionen Euro). 

 

Norwegisches Pfandsystem als Vorbild

Auch in Norwegen sind Papier- und Kartonverpackungen weit verbreitet und das Land hat dafür ein vorbildliches Recyclingsystem aufgebaut. Für das gesamte Verpackungsaufkommen lag die Recyclingquote für Verpackungsabfälle im Jahr 2020 bei rund 52,5 Prozent. Dies stellt einen leichten Rückgang im Vergleich zu 2010 dar, als die Recyclingquote für Verpackungsabfälle in dem nordischen Land fast 57 Prozent erreichte.

Das norwegische Pfandsystem, das als weltweites Musterbeispiel für die Rücknahme und das Recycling von Getränkeverpackungen gilt, ist eines der effizientesten der Welt. Norwegen war eines der ersten Länder der Welt, das ein Pfandsystem für Mehrwegflaschen einführte. Ein System für wiederbefüllbare Glasbehälter wurde bereits 1902 etabliert und die automatische Rückgabe von Glasflaschen an Leergutautomaten kam Anfang der 1970er.

Das Pfandsystem für Einweg-Getränkeverpackungen ist insofern einzigartig, als es auf freiwilliger Basis von der Getränke- und Lebensmitteleinzelhandelsbranche eingeführt wurde. Es wurde 1999 im Rahmen einer Umweltsteuer verpflichtend. Laut Infinitum-Jahresbericht für 2021 wurden mehr als 1,55 Milliarden Getränkeverpackungen zum Recycling zurückgegeben - Infinitum ist Eigentümer und Verwalter des norwegischen Pfandrückgabesystems.

Die EU hat sich das Jahr 2029 als Ziel gesetzt, dass die Mitgliedsländer mindestens 90 Prozent der Plastikflaschen recyceln. Norwegen ist dem dank seines bewährten Pfandsystems mit einer Recyclingquote von 97 Prozent bereits einige Jahre voraus.