Polen auf dem Weg zur Spitze des europäischen Verpackungsmarktes
04.08.2023 Look into Europe Länder-/Marktbericht

Polen auf dem Weg zur Spitze des europäischen Verpackungsmarktes

Unser Nachbarland Polen etabliert sich zunehmend als bedeutender Akteur auf dem europäischen Verpackungsmarkt. Der Krieg in der Ukraine und damit einhergehende Versorgungsprobleme haben das Wachstum allerdings ausgebremst. Wo steht die polnische Verpackungsbranche im Moment?

Umriss Polens vor polnischer Flagge Im Jahr 2022 verzeichnete die polnische Verpackungsindustrie ein Wachstum von fast 20 Prozent.

Polen baut seine Position auf dem europäischen Verpackungsmarkt kontinuierlich aus und belegt den fünften Platz beim Produktionsvolumen innerhalb der EU-27. Beim Export von Holzverpackungen nimmt das Land in Bezug auf Gesamtwert und Wachstum sogar einen führenden Platz ein. Im Bereich der Papier- und Kartonverpackungen belegt Polen in der EU den zweiten Rang in puncto Wachstum und den dritten Platz in Bezug auf den Exportwert hinter Deutschland und den Niederlanden. In den Segmenten Glas- und Metallverpackungen liegt Polen beim Wachstum an sechster bzw. siebter Stelle. 

 

Kostendruck rückt in den Fokus

Die polnische Verpackungsindustrie besteht aus ca. 6-7 Tausend diversifizierten Unternehmen unterschiedlicher Größe. Trotz umfangreicher Investitionen in Höhe von 3,7 Milliarden PLN im Jahr 2021 (etwa vier Milliarden Euro), einem Rekordwert und 36 Prozent über dem Durchschnitt der vorherigen fünf Jahre, sind die Investitionen der Branche insgesamt seit 2015 rückläufig. Eine Ausnahme bilden Unternehmen, die Papier- und Kartonverpackungen herstellen und von einem steigenden Umweltbewusstsein profitieren. Im Segment Kunststoffverpackungen ist dagegen ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, der vor allem auf regulatorische Unsicherheiten und Verzögerungen bei der Umsetzung von EU-Richtlinien zurückzuführen ist. Von den neuen Rahmenbedingungen könnte die Branche mit umweltfreundlichen Lösungen langfristig allerdings auch profitieren.

Schätzungen der Santander Bank Polska zufolge hat der polnische Verpackungsmarkt 2022 einen Wert von etwa 13 Milliarden Euro (60 Milliarden PLN) erreicht. Die Branche litt jedoch unter steigenden Energie- und Rohstoffpreisen, einem eingeschränkten Zugang zu Rohstoffen und dem Krieg in der Ukraine. Trotz der seit Ende 2022 wieder steigenden Nachfrage und sinkender Rohstoffkosten bleiben die Gewinnmargen rückläufig, insbesondere bei den Herstellern von Kunststoff-, Papier- und Kartonverpackungen. Hohe Gaspreise belasten dabei vor allem die Hersteller von Glasverpackungen. 

 

Überdurchschnittliches Wachstum

Im Jahr 2022 verzeichnete die polnische Verpackungsindustrie ein Wachstum von fast 20 Prozent. Diese Entwicklung war aber vor allem auf Preissteigerungen zurückzuführen. Zuwächse gab es vor allem beim Absatz von Holzverpackungen (40 Prozent im Vergleich zu 2021), Glasflaschen (16 Prozent) und Metallen (14 Prozent).

In Polen werden jährlich etwa sechs Millionen Tonnen Verpackungen hergestellt. Der Anteil dieses Sektors an der gesamten industriellen Verarbeitung beträgt 3,4 Prozent und ist damit fast doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Die Lebensmittelindustrie ist der Hauptabnehmer von Verpackungen in Polen und ist für etwa 60 Prozent des Verbrauchs verantwortlich. Es folgen die Pharma- und Kosmetikindustrie mit einem Anteil von ca. sieben bzw. sechs Prozent. 

Was das für die einzelnen Materialtypen betrifft, so entfallen etwa 40 Prozent des polnischen Verbrauchs auf Kunststoffverpackungen, von denen die Hälfte flexibel und die andere Hälfte starr ist. Papierverpackungen erreichen einen Anteil von ca. 37 Prozent, Leichtmetalle kommen auf zwölf Prozent und auf Glas auf ca. zehn Prozent des Verbrauchs.

 

Robuste Exportquote

Wertmäßig stiegen die Exporte der polnischen Verpackungsbranche in den ersten drei Quartalen 2022 um beachtliche 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings bieten die einzelnen Segmenten ein uneinheitliches Bild. Das stärkste Wachstum ist bei Holzverpackungen zu verzeichnen. Dabei dominieren Paletten, was auf den Ersatz von Lieferungen aus Russland, Weißrussland und der Ukraine zurückzuführen ist. Fast 30 Prozent der 2021 importierten Paletten kamen noch vom ukrainischen Markt und weitere rund 15 Prozent aus Belarus.

Die Ausfuhren von Kunststoff- und Aluminiumverpackungen stiegen in diesem Zeitraum unter dem Branchendurchschnitt. Ohne Berücksichtigung von Preiserhöhungen stiegen die Verpackungsexporte um rund fünf Prozent. Ohne Holzverpackungen, die gewichtsmäßig fast 50 Prozent der Gesamtexporte der Branche ausmachen, liegen die Auslandsumsätze jedoch auf dem Niveau des Vorjahres.

Was das Wachstum der Verpackungsexporte anbelangt, so stärkt Polen systematisch seine Position auf dem europäischen Markt. Bei den Verpackungen aus Papier und Pappe stehen die einheimischen Hersteller beim Wachstum an zweiter Stelle in der EU. Gemessen am Gesamtexportwert belegt das Land damit Platz 3 hinter Deutschland und den Niederlanden.

 

Recyclingziele noch in weiter Ferne

In den kommenden Jahren steht der gesamte Sektor vor großen Veränderungen. Strengere Recyclingverpflichtungen, die Finanzierung des Abfallmanagementsystems und umweltfreundliche Lösungen sind Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Denn Polen ist noch weit davon entfernt, die von der EU geforderten Recyclingquoten für Verpackungsabfälle zu erreichen. 

Nach Angaben des IOŚ-PIB (Polnisches Institut für Umweltschutz) wurden 2020 in Polen nur 45 Prozent der Verpackungsabfälle recycelt. Die niedrigste Recyclingeffizienz wurde mit 28,6 Prozent für Verpackungsabfälle aus Kunststoff verzeichnet, die höchste mit 60,4 Prozent für Verpackungsabfälle aus Papier und Pappe. Die geltende Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle sieht vor, dass bis 2025 mindestens 65 Prozent und ab 2030 mindestens 70 Prozent aller Verpackungen stofflich verwertet werden. Verbesserungspotenzial herrscht dabei nicht unbedingt auf der Herstellerseite. Laut einer Umfrage der Interzero Packaging Recovery Organization sortieren lediglich 51 Prozent der Bevölkerung ihren Abfall – und das trotz bestehender Recyclingmöglichkeiten. Nur mit besseren Information und der Durchsetzung von Entsorgungsregeln könnte Polen auch mit Blick auf die Nachhaltigkeit einen europäischen Spitzenplatz erringen.