Niederländischer Verpackungssektor im Wandel
Die niederländische Verpackungsindustrie sieht sich einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber, darunter Marktveränderungen und der Druck hin zu mehr Nachhaltigkeit. Trotz der Hürden gibt es Anzeichen für Wachstum und Chancen. Wie wird sich die Branche anpassen und welche Zukunftsaussichten bestehen?
Nach Angaben des niederländischen Zentralamts für Statistik ist die Verpackungsbranche in den Niederlanden mit rund 330 Unternehmen vertreten. Diese Betriebe sehen sich derzeit mit sich rasch verändernden Marktbedingungen konfrontiert. Doch Entwicklungen wie steigende Kosten, sinkende Nachfrage und ein verstärkter Fokus auf Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind keinesfalls isolierten Phänomene, sondern spiegeln sich in ähnlicher Weise in vielen europäischen Ländern wider. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass unternehmerisches Geschick mehr denn je gefragt ist. Dass die Branche dazu in der Lage ist, hat sie auch in den vergangenen Krisenzeiten bewiesen.
So erlebte die niederländische Verpackungsindustrie einem Bericht von Aeternus Corporate Finance (Top 25 Report 2023) zufolge schon in den Jahren vor Corona einen Aufschwung: 2018 wurden 3.108 Kilotonnen Verpackungsmaterial produziert, 2020 waren es bereits 3.264 Kilotonnen, was einer Steigerung von 4,6 Prozent entspricht. Insbesondere Verpackungen aus Papier und Karton verzeichnen mit einem Plus von 16,8 Kilotonnen zwischen 2018 und 2020 die höchsten Wachstumsraten, was zum einen auf die steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen Verpackungen und zum anderen auf den Boom der Online-Logistik zurückzuführen ist. Im Jahr 2020 hat der Gesamtumsatz der Branche daher rund 6,8 Milliarden Euro betragen.
Chancen und Herausforderungen
Wichtigster Umsatztreiber ist der private Konsum. So öffnet der Niederländer laut Aeternus durchschnittlich sieben Verpackungen pro Tag. Dabei handelt es sich vor allem um Lebensmittel- und Getränkeverpackungen. Auch andere Trends sorgen für Dynamik in der Verpackungsbranche: Die Haushalte werden immer kleiner. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach Convenience. Beide Entwicklungen veranlassen die Hersteller, kleinere Verpackungsgrößen anzubieten.
Zudem hat der Onlinehandel durch die Corona-Krise einen enormen Aufschwung erfahren: Im Jahr 2020 wurden 41 Prozent mehr Online-Einkäufe getätigt als im Vorjahr. Das Knowledge Institute for Mobility Policy erwartet, dass das Online-Shopping und damit der Verpackungsbedarf weiter zunehmen werden.
In jüngster Zeit haben allerdings geopolitische Faktoren ihre Spuren in der Verpackungsindustrie hinterlassen. So stammten 20 Prozent des Zellstoffs für Papier und sechs Prozent des Aluminiums aus Russland. Die Folge sind steigende Rohstoffpreise, obwohl es vielen Unternehmen gelungen ist, die höheren Kosten an die Kunden weiterzugeben.
Auch Écart Invest, ein auf die Verpackungsbranche spezialisiertes Private-Equity-Unternehmen, stellt fest: „Der Verpackungsmarkt befindet sich im Umbruch: Rohstoff- und Transportketten wurden unterbrochen, was zu einem starken Anstieg der Gestehungskosten auf breiter Front geführt hat. Energieintensive Produktionstechniken haben seit dem Krieg in der Ukraine zu weiteren Kostensteigerungen geführt.“ Diese Turbulenzen bieten nach Ansicht der Analysten aber auch Chancen. Die Suche nach neuen Kooperationspartnern oder Lieferketten oder die Forcierung der Nachhaltigkeit sind mögliche Optionen.
Transformation der Verpackungspolitik in den Niederlanden
Rund 20 Prozent des gesamten Abfallaufkommens der Niederlande besteht aus Verpackungen, berichtet Aeternus. Im Vergleich Frankreich und Spanien hinket das Land bei der Nachhaltigkeitsgesetzgebung hinterher. Écart Invest weist darauf hin, dass der Markt trotz zahlreicher Nachhaltigkeitsinitiativen seine Gewohnheiten nur ändern wird, wenn er durch Gesetze dazu veranlasst wird. Denn trotz staatlicher Anreize und marktbasierter Initiativen sind Recyclingmaterialien und Biokunststoffe nach wie vor teuer und nur begrenzt verfügbar.
Obwohl der niederländische Markt für Kunststoffverpackungen aus regulatorischer Sicht Nachholbedarf hat, übertrifft er die Recyclingziele. Bis 2022 wurden 88 Prozent aller Verpackungen in den Niederlanden recycelt und wiederverwendet, womit das Land zu den führenden in Europa gehört. Der Afvalfonds Verpakkingen strebt an, bis 2050 ausschließlich fossilfreie und recycelbare Verpackungen zu verwenden. Unternehmen, die in den Niederlanden verpackte Produkte vertreiben, sind für die Sammlung und Verwertung ihrer Verpackungen verantwortlich. Diese Aufgabe übernimmt der Abfallfonds, der durch Industrieabgaben finanziert wird. Afvalfonds Verpakkingen ist eine zentrale Organisation in diesem System.
In Übereinstimmung mit dessen Plänen wird der Schwerpunkt auf die Reduzierung, Wiederverwendung und nachhaltiges Wirtschaften von Kunststoffverpackungen gelegt, um sowohl Umweltauflagen zu erfüllen als auch wirtschaftliche Vorteile zu nutzen. Die Wiederverwendung von Verpackungen sei ein wichtiges Ziel, insbesondere im Zusammenhang mit Rechtsvorschriften wie der Richtlinie über Einwegkunststoffe: Am 3. Juli 2021 wurde die EU-Richtlinie über Einwegkunststoffe eingeführt, die bestimmte Kunststoffprodukte verbietet. Weitere Maßnahmen, die im Januar 2023 eingeführt wurden, betreffen die Kostenverantwortung der Hersteller für Einwegkunststoffverpackungen.
Mittelfristiges Ziel des niederländischen Abfallfonds ist es, bis 2050 Kunststoffverpackungen zu verwenden, die umweltneutral und frei von fossilen Brennstoffen sind. Verschiedene Initiativen, darunter eine Tarifdifferenzierung seit 2019, fördern umweltfreundliche Verpackungslösungen. Ab 2024 wird das Tarifsystem überarbeitet, um der Verwendung von wiederverwertbaren Verpackungen neuen Schwung zu verleihen. Ein weiteres wichtiges Instrument zur Abfallvermeidung ist das Pfandsystem, das 2021 auf kleine Plastikflaschen und 2023 auf Dosen ausgeweitet wird. Mehr als 28.000 Sammelstellen unterstützen das System, und obwohl das Sammelziel von 90 Prozent im Jahr 2022 nicht erreicht wurde, werden die Maßnahmen zur Verbesserung des Recyclings und zur Sensibilisierung fortgesetzt.
Auch die Verbraucher spielen beim Recycling eine wichtige Rolle. In den Niederlanden produziert jeder Einwohner durchschnittlich 490 kg Abfall pro Jahr, von denen 59 Prozent getrennt gesammelt werden. Untersuchungen des „Centre of Expertise in the Food Industry“ zeigen, dass 55 Prozent der Verbraucher mehr Informationen über Recycling und Lebensmittelsicherheit auf Verpackungen wünschen, was Chancen für eine nachhaltigere Zukunft signalisiert.