Belgien: Ein europäisches Erfolgsmodell für das Verpackungsrecycling
Durch technologische Innovationen und eine frühzeitige Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung hat Belgien beachtliche Fortschritte bei der Sammlung und Wiederverwertung von Verpackungsabfällen erzielt. Was steckt hinter dem Erfolg des Landes?
Und der Gewinner ist: Belgien. Zumindest mit Blick auf die Recyclingquote von Verpackungen. Denn das Land belegt mit 79.2 Prozent den Spitzenplatz in der EU. Fortschritte wurden in den letzten Jahren insbesondere bei der Sammlung und Wiederverwertung von Kunststoffverpackungen gemacht. Dafür setzen Regierung und Industrie auf Hightech und innovative Verfahren. So konnte die Effizienz der Abfallsammlung und des Recyclings deutlich verbessert werden. Neue Recyclinganlagen – insgesamt fünf in den letzten Jahren – verfügen über fortschrittliche Sortiersysteme und ergänzen das gut organisierte Sammlungssystem für Haushalts- und Industrieverpackungen. Insgesamt 75 Prozent der anfallenden Kunststoffverpackungen sollen so bis 2025 im Land wiederverwertet werden.
Die relativ hohe Wiederverwertungsquote der unterschiedlichen Verpackungsmaterialien in Belgien ist vor allem auf die frühzeitig im Jahr 2008 umgesetzte erweiterte Herstellerverantwortung zurückzuführen. Dieses Abkommen, das zwischen der belgischen Bundesregierung und den Regionalregierungen geschlossen wurde, legt die Verantwortlichkeiten der Hersteller für die Verwaltung von Verpackungsabfällen fest. Die Einhaltung und Umsetzung wird von der Interregionalen Verpackungskommission (IVC) kontrolliert. Sie besteht aus Vertretern der drei belgischen Regionen: Flandern, Wallonien und Brüssel-Hauptstadt.
Kunststoffe holen bei der Recyclingquote auf
Die Gesamtmenge der auf dem belgischen Markt in Verkehr gebrachten Verpackungen ist im Jahr 2020 gegenüber 2019 um 4,6 Prozent gestiegen und beläuft sich auf knapp über 1,9 Millionen Tonnen. Papier und Pappe machen 39 Prozent des Gesamtgewichts der in Belgien produzierten Verpackungsabfälle aus. Glas (21 Prozent) und Kunststoffe (19 Prozent) sind ebenfalls zwei große Gruppen.
79 Prozent werden insgesamt wiederverwertet. Bei Glas liegt die Recyclingquote bei 97 Prozent, was jedoch vor allem auf die Parallelimporte von Getränken zurückzuführen ist, deren Verpackungen nicht in die Gesamtmenge der in Verkehr gebrachten Verpackungen eingehen, aber dennoch recycelt werden. Die Recyclingquote von Metallverpackungen liegt bei 96 Prozent und die von Papier und Pappe bei 89 Prozent.
Damit hat Belgien die selbst gesteckten Quoten fast erreicht oder übertroffen. Denn das offizielle Ziel für die stoffliche Verwertung von Verpackungsabfällen aus Haushalten und der Industrie liegt der IVC zufolge bei 80 Prozent. Stoffliche Verwertung bezieht sich dabei auf die Umwandlung von Abfall in einen nutzbaren Rohstoff, beispielsweise durch Recycling.
Gut organisierte Sammlung
Wie Deutschland verfügt auch Belgien über ein seit Langem bestehendes System der getrennten Sammlung für das Verpackungsrecycling. Die Verwertung der Industrie- und Haushaltsverpackungen wird von zwei Organisationen gesteuert. Beide sind Teil des erweiterten Herstellerverantwortungssystems, das darauf abzielt, dass Produzenten die volle Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Waren übernehmen. Sie sind von der Interregionalen Verpackungskommission (IVC) akkreditiert und berichten an diese.
Valipac heißt die national zuständige Organisation für industrielle Verpackungsabfälle und war 1997 die erste weltweit, die sich ausschließlich mit dieser Abfallgruppe beschäftigt. Sie arbeitet zusammen mit Unternehmen, um eine nachhaltige und effiziente Verpackungswirtschaft zu fördern, Verpackungsabfälle zu reduzieren, besser zu verwalten und effektiver zu recyceln. Dazu bietet Valipac eine Reihe von Dienstleistungen an, darunter Recycling-, Sammel- und Informationsdienste.
Fost Plus hingegen kümmert sich um das Recycling von Haushaltsverpackungen in Belgien. Die Organisation arbeitet mit lokalen Behörden, Sammelunternehmen und Recyclinganlagen zusammen, um sicherzustellen, dass Verpackungsabfälle effizient und umweltfreundlich verwertet werden. Fost Plus ist beispielsweise für die Verwertung der Abfälle aus dem 2021 eingeführten „Blauen Sack“ verantwortlich. Neben den neuen Recyclinganlagen hat die Organisation hierfür auch neue Recyclingmärkte geschaffen, die eine hochwertige Verwertung im Sinne der Kreislaufwirtschaft gewährleisten sollen. Mit dem Blauen Sack wurde der Kreis der gesammelten Materialien auf alle Kunststoffverpackungen, einschließlich Hartplastik (Becher, Wannen und Schalen) und Folien, ausgeweitet. Sortieren und Recycling sollen in Zukunft so weit wie möglich in Belgien stattfinden.
Aufgrund dieser erfolgreichen Bilanz, sieht das Land die Pläne für eine EU-weite Verpackungsverordnung kritisch. Die Kommission glaubt, dass diese Anpassung zu mehr Harmonisierung führen wird, da die bestehende Richtlinie den zunehmenden Trends bei der Erzeugung von Verpackungsabfällen in der EU nicht mehr gerecht wird. Allerdings lehnt die belgische Umweltministerin Zakia Khattabi diesen Vorschlag ab und spricht sich für eine Richtlinie aus. Ihrer Meinung nach würde eine Verordnung zu einem ineffizienten System führen, das die nationalen Besonderheiten und Investitionen nicht ausreichend berücksichtigt und die Handlungsfähigkeit von führenden Staaten einschränkt. Eine Richtlinie hingegen wäre ambitioniert und würde den Mitgliedstaaten den nötigen Spielraum für eigene Aktionen lassen.
Als Klassenprimus im Recycling möchte Belgien seine hohen Standards ungern verwässert sehen. Vielleicht kann die Europäische Union von den Erfahrungen des Landes lernen und die unterschiedlichen Anforderungen in einzelnen Regionen besser berücksichtigen. So könnte Belgien zum Vorbild für die Kreislaufwirtschaft auf dem ganzen Kontinent werden.