Wellpappenindustrie gegen pauschale Mehrwegquoten im Onlinehandel
Wellpappenhersteller warnen vor drohenden Folgen der EU-Verpackungsverordnung: mehr Kunststoff, mehr Transportkilometer, höhere Kosten. Eine neue Studie bewertet geplante Mehrwegquoten als nicht zielführend.
Sollten die im Entwurf der europäischen Verpackungsverordnung vorgesehenen Mehrwegquoten für E-Commerce- und bestimmte Transportverpackungen umgesetzt werden, hätte dies erhebliche negative Effekte, aber nur vergleichsweise geringen Nutzen. Zu dieser Bewertung gelangt die Gesellschaft für Verpackungs-marktforschung (GVM) in einer neuen Studie, die im Auftrag des Verbandes der Wellpappen-Industrie e.V. (VDW) erstellt wurde.
Der Plan der EU, stufenweise Quoten für wiederverwendbare Versandverpackungen einzuführen, trifft daher auch auf Ablehnung in der Wellpappenindustrie. Der EU-Entwurf, Packaging & Packaging Waste Regulation (PPWR), sieht eine schrittweise Lösung vor: Ab 2030 sollen im E-Commerce 10 Prozent der Verpackungen mehrfach zirkulieren können, ab 2040 dann 50 Prozent. Auch Haushaltsgroßgeräte wie Kühlschränke sollen in Mehrwegverpackungen geliefert werden.
Die Analyse der GVM beleuchtet anhand von Basisdaten aus dem Jahr 2021, wie sich die im Verordnungsentwurf vorgesehenen Mehrwegquoten für Transport- und Versandhandelsverpackungen auf den deutschen Markt auswirken würden. Im Vergleich dazu würde gemäß der Analyse der Experten das Umsetzen des Mehrwegziels für 2030 hierzulande den Verbrauch von Wellpappeverpackungen um 139.000 Tonnen oder 3 Prozent auf knapp 4,2 Millionen Tonnen schrumpfen. 2040 stünde gegenüber dem Basisjahr ein Rückgang um 11 Prozent zu Buche. Allein der anfängliche Mengenschwund entspräche laut GVM der Kapazität von drei Wellpappewerken mit rund 500 Arbeitsplätzen und einem Einbruch des Branchenumsatzes um 200 Millionen Euro.
Längere Transportwege
Das entfallende faserbasierte Packmaterial würde in einem „eingeschwungenen“ System durch die etwas geringere Menge von 114.000 Tonnen Mehrwegtransportverpackungen ersetzt. Allerdings müssten im Jahr 2030 zunächst 285 Tonnen wiederverwendbare Versandboxen und -taschen neu zugekauft werden. Entgegen den Mengeneinsparzielen der EU läge die saldierte Gesamttonnage beim Systemstart um 146.000 Tonnen und im Jahr 2040 sogar um 200.000 über derjenigen in 2021. Da Mehrwegverpackungen überwiegend aus Kunststoff bestehen, nähme die Kunststoffmenge im untersuchten Marktsegment stufenweise um 3 sowie um 11 Prozent zu.
Die GVM hebt zudem hervor, dass die vorgeschlagenen Mehrwegquoten erhebliche und aufwändige Umstellungen entlang der Wertschöpfungskette erfordern würden. Die von Logistikfahrzeugen zurückzulegenden Distanzen kämen laut Studie auf das 2,3-fache (2030) beziehungsweise 3-fache (2040) der Wegstrecken im Jahr 2021.
„Einem vergleichsweise geringen Nutzen stehen hohe Kosten gegenüber“, so die GVM-Experten im Hinblick auf die zu erwartende Entwicklung des deutschen Markts der Transportverpackungen für E-Commerce-Waren und Haushaltsgroßgeräte. Daher seien pauschale Vorgaben zum Einsatz von Mehrwegverpackungen „nicht zielführend“. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Einsatz von Mehrwegverpackungen „in einzelnen Fällen“ nicht sinnvoll sei.
Mit Verweis auf die GVM-Prognosen über die Zunahme der gesamten Verpackungsmenge sowie erheblich mehr Bedarf für Transportverkehr und Lagerfläche sieht der VdW die geplanten pauschalen Mehrwegquoten klar im Widerspruch zu den Nachhaltigkeitszielen der EU. Als „bedenklich“ bewertet der VdW-Vorsitzende Steffen P. Würth auch die vorhergesagte Ausweitung von Kunststoff: „Die überwiegende Mehrheit der Kunststoffe wird weiter aus fossilen Rohstoffen hergestellt, anders als Wellpappe, die auf nachwachsenden Ressourcen basiert.“ Würth verweist zudem auf die bei den faserbasierten Packstoffen Papier, Pappe und Karton hohe Recyclingquote von rund 80 Prozent. Der Anteil von Recyclingmaterial in fertigen Verpackungen liege im Kreis der VdW-Mitglieder bereits höher. „Nahezu absurde“ Folgen könnten pauschale Mehrwegquoten laut Würth bei Importen aus Nicht-EU-Staaten haben. So sei durchaus möglich, dass Haushaltsgroßgeräte an den EU-Grenzen „millionenfach“ in Mehrwegbehälter umgepackt werden müssten. „Zwei Transportverpackungen pro Produkt zu nutzen, ist eindeutig das Gegenteil von Effizienz und Umweltschutz“, so Würth.