In Frankreich wird eine hitzige Debatte um Shrinkflation geführt
26.10.2023 Retail Brands Industry Look into Europe Artikel

In Frankreich wird eine hitzige Debatte um Shrinkflation geführt

Mit der Aktion, Shrinkflation zu brandmarken, hat der französische Lebensmittelkonzern Carrefour einen Nerv getroffen und ist der Politik zuvorgekommen.

Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire will durch ein strengeres Kennzeichnungsgesetz Shrinkflation eindämmen. Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire will durch ein strengeres Kennzeichnungsgesetz Shrinkflation eindämmen.

Auf orangefarbenen Schildchen steht in den französischen Carrefour-Läden der Hinweis: „Bei diesem Produkt ist der Inhalt weniger geworden und der Preis gestiegen.“ Getroffen hat es 26 Produkte, darunter Lindt-Schokolade und Lipton-Eistee. Mit der Aktion will Carrefour angesichts der Verhandlungen für das kommende Jahr den Druck auf Hersteller erhöhen, die Preise zu senken, berichtet die Lebensmittelzeitung.

Zum Hintergrund: Zwei Jahre in Folge steigende Preise, ohne dass die Löhne mit der hohen Inflation Schritt halten können, hinterlassen ihre Spuren. Die weiteren Aussichten sind eher trübe: Die jüngsten Wirtschaftsdaten der französischen Notenbank zum dritten Quartal zeigen kaum Wachstum. Zudem finden immer mehr Hersteller Gefallen am alten Trick, weniger Inhalt in ähnlich großen Verpackungen zu verkaufen – zum selben oder höheren Preis. Was eint nur Mogelpackung hieß, hat europaweit einen neuen Namen bekommen: Shrinkflation.

Gesetzesentwurf liegt vor

Andere Hersteller verbessern ihre Gewinnmargen, indem sie an der Qualität der Zutaten sparen, Cheapflation genannt. Grund genug für die Regierung in Paris, vor den Jahresgesprächen zwischen Herstellern und Händlern Stimmung zu machen. Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire spricht von Betrug. Er will nicht nur häufigere Preisverhandlungen vorschreiben, sondern auch durch ein strengeres Kennzeichnungsgesetz Shrinkflation eindämmen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt bereits vor. Die Verbraucher bleiben misstrauisch, wie Erhebungen des Marktforschungsinstitutes Elabe zeigen: Die Mehrheit der Franzosen rechnet nicht damit, dass die Maßnahmen der Regierung die Kaufkraft der Verbraucher verbessern werden. Seit Mai ist die Zahl derjenigen, die so denken, stark gestiegen.

Shrinkflation ist juristisch gesehen kein Betrug. Das weiß der Minister genauso gut wie Verbraucherschützer, die in zahlreichen Fernseh- und Radiosendungen ihre Stimme dagegen erheben. Ihnen geht es um die Moral, wie sie sagen. Im Feuer der öffentlichen Kritik stehen dabei Großkonzerne wie Pepsi, Unilever und Nestlé.

Dass gerade jetzt das Thema politischer wird, ist kein Zufall. „Von September bis März ist das Verhältnis zwischen Herstellern und Händlern in Frankreich sehr angespannt, weil sie die Preise und Vertragskonditionen für das kommende Jahr verhandeln“, erklärt Anwältin Alexandra Berg-Moussa, die auf Wettbewerbsrecht spezialisiert ist, im Interview mit der LZ. Der Frust der Kunden steigt, zumindest in Frankreich. Wie aus der Elabe-Studie hervorgeht, beklagen Verbraucher über alle Gesellschaftsschichten hinweg die Preiserhöhungen in der Lebensmittelindustrie – und die zu geringe Bereitschaft großer Händler, ihre Handelsspannen zu senken. Dieser starke finanzielle Druck führt zu Verzicht, wie die Marktforscher erklären, sei es bei der Ausbildung der Kinder, im Urlaub oder eben bei Lebensmitteln. Im Einzelnen verzichten 56 Prozent ganz auf den Kauf bestimmter Lebensmittel, 41 Prozent kaufen günstigere Produkte ein und 28 Prozent weichen auf kleinere Mengen aus. Vor allem bei Fleisch und Fisch üben die Franzosen inzwischen Verzicht. 45 Prozent geben an, gar nicht mehr oder geringere Mengen Fleisch einzukaufen, bei Fisch sind es 33 Prozent. Bioprodukte und Wurstwaren trifft es am stärksten. Seit Mai 2023 ist dieser Trend weitgehend ungebrochen.

Unverpackt-Läden boomen

Den Streit um den Preisanstieg macht sich inzwischen eine ganz andere Bewegung zunutze, nämlich Unverpackt. Der Boom in Frankreich geht weiter. Vorn mit dabei ist wieder Carrefour mit seinem Markt in Montesson, der auch Unverpackt testet. Dort hängen an einigen Produkten wieder orangefarbene Schildchen, mit dem Schlagwort Anti-Inflation. Und dem Hinweis: „Dieses Produkt ist unverpackt billiger.“


FACHPACK360° wird in Kürze auch über die Debatte zum Thema Shrinkflation in Deutschland berichten. Einen Bericht über den französischen Verpackungsmarkt finden Sie bereits jetzt auf FACHPACK360°.