Das Geschäft mit Rezyklatzertifikaten
26.09.2023 Retail Brands Industry Look into Europe Artikel

Das Geschäft mit Rezyklatzertifikaten

Die EU strebt anspruchsvolle Quoten für den Einsatz recycelter Kunststoffe in FMCG-Verpackungen an. Das Unternehmen CRC vermittelt „virtuelle Partnerschaften“ zwischen Unternehmen in der Wertschöpfungskette Kunststoff. Für Food-Hersteller könnte das neue Spielräume eröffnen.

Ansgar Schonlau, Managing Director von CRC, überreicht Fabian Meiberg, Head of Business Development und Marketing bei der Kuchenmeister GmbH, die Urkunde über die ersten 5 Tonnen Recyclingmaterial, die in langlebigen Produkten wiederverwendet wurden. Ansgar Schonlau, Managing Director von CRC, überreicht Fabian Meiberg, Head of Business Development und Marketing bei der Kuchenmeister GmbH, die Urkunde über die ersten 5 Tonnen Recyclingmaterial, die in langlebigen Produkten wiederverwendet wurden.

EU-Plänen zufolge sollen ab dem Jahr 2030 kontaktempfindliche PET-Verpackungen für Lebensmittel, Tiernahrung und Kosmetik sowie Einweg-Getränkeflaschen mindestens 30 Prozent Recyclingmaterial aus „Post-Consumer“-Abfällen (PCR) enthalten. Für kontaktempfindliche Verpackungen aus anderen Kunststoffen wird eine Quote von 10 Prozent vorgeschlagen, für nicht kontaktempfindliche Verpackungen 35 Prozent.

Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen schätzt, dass aktuell zur Umsetzung der geplanten Quoten mehr als 700.000 Tonnen Rezyklate fehlen. Der Branchenverband warnt vor künftigen Versorgungsengpässen vor allem im Segment Food-Verpackungen, in dem – außer r-PET – aktuell keine anderen Rezyklate zugelassen sind.

„Aufgrund gültiger Sicherheits- und Hygienevorgaben sind die Quoten bei Food-Verpackungen nicht realisierbar, zumindest nicht mit Mengen und Qualitäten aus dem aktuellen mechanischen Recycling“, so Ansgar Schonlau in der Lebensmittelzeitung. Gleichwohl hat sich der geschäftsführende Gesellschafter des auf hoch recyclingfähige, flexible Kunststoffverpackungen spezialisierten Unternehmens Maag vorgenommen, den Einsatz von Rezyklaten in der FMCG-Wirtschaft sowie die Recyclingfreundlichkeit von Verpackungen voranzubringen.

Dazu hat Schonlau mit Dirk Textor, dem Vorsitzenden des Fachverbandes Kunststoffrecycling in der Bundesvereinigung Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) 2022 das Unternehmen CRC (Certified Recycled Content) gegründet. Der Dienstleister mit Makler-Funktion vermittelt, „virtuelle Partnerschaften“ zwischen Unternehmen in der Wertschöpfungskette Kunststoff, deren Interesse jeweils auf dem gleichen Materialtyp liegt.

In so einen Deal involviert sein können zum Beispiel einerseits Markenartikler, die noch keine Rezyklate verwenden können, und andererseits Hersteller von Kunststoffartikeln mit einem Rezyklatgehalt, der bereits über den von der EU avisierten Mindestanteilen liegt. Geschäftszweck von CRC ist der An- und Verkauf von Rezyklatzertifikaten, sogenannten „Credits“, die den Wiedereinsatz exakt bemessener Mengen von Verpackungsmaterial in hochwertigen Anwendungen verbriefen.

Das erste von CRC vermittelte Geschäft involviert den Gebäckhersteller Kuchenmeister und Otto Graf, einen Hersteller von Regenwassertonnen. CRC hat dabei zunächst von Graf ein Zertifikat erworben. Es weist aus, dass der Gartenartikel-Spezialist in eigenen Produkten fünf Tonnen regranuliertes Polypropylen eingesetzt hat, das von einem auditierten Recycler zuvor aus dem Gelben Sack zurückgewonnen wurde. Graf verzichtet ab Verkauf auf jedwede Anrechnung oder Kommunikation dieser Rezyklatmenge. Dafür erzielt das Unternehmen als „Credit-Geber“ Einnahmen, die seine Ausgaben für Rezyklate mindern und dazu anreizen, noch mehr davon nachzufragen.

Makler CRC hat das Zertifikat mit Aufpreis an Kuchenmeister veräußert. Der Käufer darf sich jetzt zurechnen, dass 5 Tonnen der von ihm in Verkehr gebrachten, ebenfalls aus Polypropylen gefertigten – und ebenfalls auditiert haushaltsnah gesammelten  – Kuchenhüllen hochwertig stofflich wiederverwertet wurden. „Der Materialfluss vom Gelben Sack über die Sortierung, das Recycling und die Konvertierung zur hochwertigen Anwendung wird über den Mengenstromnachweis der Dualen Systeme und zertifizierte Auditoren exakt nachgewiesen“, so Schonlau.

Ihm zufolge ist der Handel weiteren klaren Regeln unterworfen. So sei der Markt auf die fünf gut recycelbaren Kunststoffsorten PP, PS, PO, LDPE, HDPE und PET sowie Transaktionen mit jeweils gleichen An- und Verkaufsmengen desselben Polymertyps beschränkt. Ein Weiterverkauf sei ausgeschlossen. Erworbene Zertifikate dürften nur in der validierten Menge auf in Verkehr gebrachte Produktverpackungen angerechnet werden. Obendrein müsse ein Käufer wie etwa Kuchenmeister nachweisen, dass seine Verpackungen zu mindestens 90 Prozent recycelt werden können.

Die Idee hinter CRC soll Markenartikler bewegen, in Verpackungen anstelle nicht recyclingfähiger Mischverbunde Materialien einzusetzen, die gut erneut verwendet werden können. Der Wertstoffstrom werde dadurch so ausgerichtet, dass vorne produziert werde, was hinten einen Abnehmermarkt finde, erklärt Schonlau.

Ein konkretes Ziel von CRC sei auch die Aufnahme des Geschäftsmodells in die Verpackungsverordnung (PPWR) der EU: „Wir haben breite Unterstützung durch die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, den Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie, den Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, das Wuppertal Institut und den dm-Drogeriemarkt, aber wir brauchen gegenüber der Politik mehr Lobby“, so Schonlau.