Faserbasierte Verpackungen brechen den 7-Zyklen-Mythos
18.06.2023 New Paths New Creations Artikel

Faserbasierte Verpackungen brechen den 7-Zyklen-Mythos

Der Fachverband Faltschachtelindustrie zeigt, wie faserbasierte Verpackungen noch besser recycelt werden können. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob Faltschachtelkartons tatsächlich nur sechs bis sieben Mal recycelt werden können. Lesen Sie die Antwort darauf in diesem Artikel oder sehen Sie sich den kompletten Vortrag noch einmal an.

Christian Schiffers, Geschäftsführer des FFI (links) und Ralf Mack, Graphic Packaging International auf der Bühne der FACHPACK. Christian Schiffers, Geschäftsführer des FFI (links) und Ralf Mack, Graphic Packaging International, auf der Bühne der FACHPACK.

Faserbasierte Verpackungen glänzen im Vergleich zu anderen Materialien mit ihrer hohen Recyclingquote. Europaweit werden sie zu 83 Prozent wiederverwertet. Die Initiative 4evergreen will diese Latte auf 90 Prozent anheben. Die Allianz von fast 100 Unternehmen, angeführt von Branchengrößen wie Stora Enso und Nestlé, hat sich zum Ziel gesetzt, Verpackungsrecycling für Papier und Karton zu revolutionieren. Unterschiedliche Akteure aus der gesamten Lieferkette arbeiten deshalb zusammen, um Empfehlungen zu erarbeiten, die sich mit Aspekten wie Recyclingfähigkeit, Untersuchungsmethoden, Bewertungskriterien und Innovationsförderung befassen. Dazu zählt auch der Hersteller von faserbasierten Verpackungen, Graphic Packaging International. Dessen Director Business Development, Ralf Mack, erklärte in seinem Vortrag auf der FACHPACK 2022, wie die teilnehmenden Unternehmen dabei vorgehen. Wie Mack betonte, beteiligen sich alle Mitglieder der Allianz aktiv an der Arbeit, indem sie wichtige Entscheidungen treffen, Testverfahren etablieren und Ergebnisse veröffentlichen.

Damit die ehrgeizigen Recyclingziele erreicht werden können, haben Arbeitsgruppen vier Schritte definiert: Zuerst soll ein Industriestandard für das Recycling als Grundlage festgelegt werden. Danach untersuchen die Teams, wie sich die gewonnenen Erkenntnisse auf das Verpackungsdesign auswirken. Im dritten Schritt befassen sie sich mit der Optimierung der Sortierung und Sammlung von Verpackungsmaterialien. Abschließend suchen die Experten nach Verbesserungsmöglichkeiten.

Die Initiative hat bereits drei Publikationen mit den renommierten Beratungsunternehmen Smithers Pira, McKinsey und Berger veröffentlicht. Darin sind erste Standards definiert worden. „Diese Standards basieren jedoch noch auf Expertenmeinungen und Literatur“, ergänzt Mack. Ziel sei es, in Zukunft auf fundierte, evidenzbasierte Empfehlungen zu setzen. Als weiterer Meilenstein der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit konnte Mack die erste Recycling-Guideline der Initiative präsentieren. Sie teilt die Recyclingstandards in drei Kategorien mit unterschiedlichen Verfahren ein: Standard-Recyclinganlagen, Deinking (Druckfarbenentfernung) und spezialisierte Recyclinganlagen für stark beschichtete Kartons. In der Richtlinie wird auch definiert, was unter „recyclingfähig“ zu verstehen ist. Hierbei unterscheiden die Verfasser zwischen „bedingt recyclingfähig“ und „komplett recyclingfähig“. Nach den Worten von Mack ist es jedoch schwierig, Produkte eindeutig einer Kategorie zuzuordnen, da verschiedene Faktoren wie Farben, Folienbeschichtungen und Lösungsmittel den Recyclingprozess beeinflussen können. Die Gruppe will kontinuierlich an der Aktualisierung der Guideline arbeiten, um auch neue Materialien und deren Recyclingfähigkeit einzubeziehen. Es wurden bereits Tests durchgeführt, und die nächste Version der Richtlinie wird diese Ergebnisse berücksichtigen. So sollen dann auch Deinking-Anlagen und spezialisierte Recyclingprozesse in die Leitlinien aufgenommen werden.

 

Bis zu 25 Recycling-Durchläufe sind möglich

Im zweiten Vortrag startete Prof. DI Dr. Rene Eckhart von der TU Graz mit der wichtigen Frage, ob faserbasierte Verpackungen tatsächlich nur sechs bis sieben Mal wiederverwertet werden können. Diese Auffassung wurde in vielen Studien festgehalten, hauptsächlich aufgrund von Materialverlusten im Labormaßstab. Einige Forschungen, darunter eine Studie der TU Darmstadt, haben jedoch gezeigt, dass Papier bis zu 25 Mal recycelt werden kann, ohne dass die mechanischen Eigenschaften wesentlich abnehmen.

Prof. Eckhart untersuchte in einer separaten Studie, wie genau sich das bei Faltschachtelkartons verhält. Genauer gesagt, einem ungestrichenen Faltschachtelkarton, der mit mehreren Schichten versehen ist. Da der Karton bereits aus Recycling-Material besteht, starteten die Versuche mit einem Material, das lediglich zu 18 Prozent aus Frischfasern bestand. Andere wichtige Bestandteile beim Recycling von faserbasierten Verpackungen sind sogenannte Aschen, also Pigmente, die in grafischen Papieren eingesetzt werden, um es weiß einzufärben. In den Labortests fiel auf, dass der Verlust dieser feinen Pigmente und anderer feiner Materialien die mechanischen Festigkeiten des Kartons erhöht, da sie die Bindung zwischen den Fasern erschweren. Um diese Artefakte zu vermeiden, wurde eine Sortierung durchgeführt, bei der die Aschen reduziert und die Pigmente herausgewaschen wurden. Gleichzeitig wurde der Malgrad, also die Entwässerbarkeit des Faserstoffes, verändert, wodurch dieser leichter zu entwässern war. Dies beeinträchtigte die Studie nicht, da das Hauptfasermaterial – die Zellstofffasern – erhalten blieb. „Das Hauptproblem war der Materialverlust, insbesondere von feinem Material, bei der Blattbildung“, berichtet Eckhart. Dies wurde durch Siebwasserrezirkulation teilweise gelöst, ähnlich wie auf einer Papiermaschine. Dadurch ließ sich der Materialverlust pro Zyklus auf ein Prozent reduzieren. Zum Wiederaufschlagen des Papiers im Labormaßstab konnten die Fasern für neue Blätter verwendet werden.

Die Studie bestätigte, dass es möglich ist, über 25 Zyklen hinweg konstante mechanische Eigenschaften und Festigkeiten zu erzielen. Limitierende Faktoren sind laut Eckhart die Sammelrate, der Materialverlust während der Aufbereitung und die strukturelle Integrität der Fasern.

Während die Forschung an nachhaltigeren Kunststoffverpackungen in vollem Schwung ist, können auch aus faserbasierten Verpackungen noch einige Nachhaltigkeitsvorteile herausgekitzelt werden. Voraussetzung dafür sind effizientere Recyclingprozesse und ein besseres Materialverständnis. Die Entwicklung ist aber alles andere als am Ende, wie die Forschungsergebnisse zeigen.

 

 
Christian Schiffers, Geschäftsführer des FFI (links) und Ralf Mack, Graphic Packaging International auf der Bühne der FACHPACK.