Mit Deinking den Kunststoffkreislauf schließen
Wildplastic holt wilden Abfall zurück nach Europa und macht daraus Müll- und Verpackungsbeutel. Für hochwertigere Rezyklate müssen allerdings die Druckfarben raus. Beim Deinking hilft Druckfarbenhersteller Siegwerk.
Seit 2019 bringt das Start-up Wildplastic containerweise Kunststoffabfälle aus Städten und von wilden Müllkippen in Indien, Ghana, Haiti und weiteren Ländern zurück nach Europa. Hier werden die Kunststoffe gewaschen, regranuliert und zu Müllbeuteln verarbeitet. Gut 300 Tonnen LDPE-Kunststoffe hat Wildplastic so bislang wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Künftig will man für Versandhändler Otto auch Versandtaschen produzieren.
Um aus dem gesammelten Abfall allerdings qualitativ höherwertige Kunststoffe herstellen zu können, müssen vor allem die Druckfarben raus. Denn sie beeinträchtigen die Granulatqualität durch Verfärbung, Gas- und Geruchsbildung. In einem Gemeinschaftsprojekt des Siegburger Druckfarbenherstellers Siegwerk, des Instituts für Circular Resource Engineering und Management (CREM) der Technischen Universität Hamburg und Wildplastic untersuchen die Partner derzeit die Möglichkeiten und Voraussetzungen, unter denen sich Druckfarben effizient entfernen lassen.
Ziel des Projektes sei es einerseits, den besten Waschprozess zum Deinken zu finden, sagt Ingo Fehr, Senior Product Manager Advanced Recycling and Deinking bei Siegwerk. Welche Mittel und Temperaturen erzielen die besten Ergebnisse? Denn im Prinzip sei das Deinken nichts anderes als eine „alkalische Heißwäsche“. Andererseits versuche man herauszufinden, welche Zutaten in den Druckfarben, etwa Farbpigmente und Bindemittel, das Deinken erleichtern oder erschweren. „Am Ende geht es darum, Druckfarben zu entwickeln, die sich gut deinken lassen“, sagt Fehr.
Mechanisches Recycling
Für den Siegwerk-Ingenieur ist die Druckfarbenentfernung ein zentraler Schritt auf dem Weg zu einer wirklich zirkulären Kunststoffindustrie – „so dass im besten Fall aus einer Lebensmittelverpackung auch wieder eine Lebensmittelverpackung entstehen kann“. Bis dato sei dies noch ein „ziemlich linearer Prozess, in dem nur Neuware verwendet wird“. Laut Wildplastic etwa werden von 6,3 Milliarden Tonnen produziertem Plastik im Jahr nur neun Prozent recycelt, zwölf Prozent verbrannt. Ganze 79 Prozent „liegen in der Umwelt“.
Für Fehr ist das mechanische Recycling die Option der Zukunft, um dieses lineare System von der Produktion zum Umweltmüll zu durchbrechen. Chemisches Recycling sei zwar ebenso möglich, aber einerseits teuer, andererseits CO2-intensiv. Obendrein entstehe hier aus einem Kilo Kunststoffabfall nur ein halbes Kilo Rezyklat. „Mechanisches Recycling ist klar die bessere Lösung, wenn wir das Deinking gut hinbekommen.“
Das Fernziel könnte wie folgt aussehen: Künftig werden nur noch deinkingfreundliche Druckfarben verwendet. Gleichzeitig bauen die Recyclingunternehmen im großen Stil Deinkinganlagen auf, um hochwertigere Granulate zu erzeugen. „Das bedingt sich gegenseitig“, weiß Fehr. Um diesen Prozess zu unterstützen, arbeite man unter anderem mit dem DIN-Institut an einer Norm, über die sich die Deinkbarkeit von Druckfarben objektiv und quantitativ messen lässt.
Und auch an anderer Stelle ist Siegwerk aktiv: So hat man bereits ein Deinking-Waschmittel entwickelt oder einen De-Lamination-Primer, durch den sich beim Deinken verschiedene Kunststoffschichten wieder voneinander lösen. Denn auch das ist ein Problem im Kunststoffrecycling: Verbundstoffe, die schwer wieder getrennt werden können. „Für das Recycling sind solche Laminate der GAU“, sagt Fehr. Daher hat man mit Partnern wie Henkel, Exxon Mobil und Windmöller & Hölscher kürzlich einen ersten Standbeutel aus Monomaterial entwickelt, der dank einer neuartigen Sauerstoffbarriere ganz aus PE sein kann.
Bis das Kunststoffrecycling auf dem Niveau des Papierrecyclings angekommen ist, bei dem das Deinken als wichtigster Prozess eine jahrzehntelange Tradition hat und Recyclingpapiere in fast allen Bereichen Primärrohstoffe ersetzen können, dürfte vermutlich noch eine Weile vergehen. Dazu sind einerseits weniger komplexe Verpackungsstrukturen nötig, andererseits der Aufbau effizienter Deinkingprozesse – damit irgendwann auch aus jeder Chipstüte wieder eine solche entstehen kann.